Wasserversorgung: Tübingens gut versteckte Quellen

Ausflug in 500 Jahre alte Brunnenstube: Woher kommt das Wasser, das aus Tübinger Brunnen plätschert?

Da müssen sich Hans-Jürgen Schnaidt und Albert Füger bücken: Der Einstieg in die Brunnenstube im Hackersteigle ist nicht viel höher als einen Meter. „Achtung, nicht ausrutschen“, warnt Füger die zur Stollenführung eingeladene Presse.

08.08.2017

Von Kathrin Kammerer

Albert Füger (rechts) leuchtet einen Zufluss zur Brunnenstube aus. Links der Brunnenfachmann der Stadt, Hans-Jürgen Schnaidt. Bild: Metz

Albert Füger (rechts) leuchtet einen Zufluss zur Brunnenstube aus. Links der Brunnenfachmann der Stadt, Hans-Jürgen Schnaidt. Bild: Metz

Es ist dunkel und nass im Inneren, der Boden ist glitschig. An seiner höchsten Stelle misst der Stollen 2,60 Meter, in den Randbereichen sind es gerade 1,60 Meter. Hier läuft, verborgen vor der Öffentlichkeit, das Wasser zusammen, das später aus dem Brunnen am Marktplatz plätschert.

Füger leitet das städtische Tiefbauamt und ist gemeinsam mit Schnaidt für die Instandhaltung der Tübinger Brunnen verantwortlich. Deswegen kennen sich die beiden in Tübinger Stollen wie diesem gut aus.

Über 500 Jahre alt

Das Alter der Brunnenstube im Hackersteigle schätzen die beiden städtischen Brunnenexperten auf rund 500 Jahre. Insgesamt 15 solcher Stuben gibt es im Stadtgebiet. In ihnen wird das Wasser aus den Quellen gesammelt und durch Leitungen an die 68 Laufbrunnen im Stadtgebiet weiterverteilt. „In anderen Brunnenstuben haben wir Jahreszahlen gefunden, welche die Steinmetze in die Wand geschlagen haben“, so Füger.

Oder es gibt gar urkundliche Belege, wie beispielsweise für die Brunnenstube Lützelbrunnen in der Gartenstraße. Dieser Stollen, der 50 Meter in den Österberg hinein reicht, wurde 1522 erstmals urkundlich erwähnt und 2008 das letzte Mal saniert. Das Wasser von dort speist den Brunnen am Synagogenplatz. Zwei etwas höher liegende Quellen versorgten früher den Brunnen der Neckarmüllerei mit Wasser.

Das Prinzip der Brunnenstuben ist einfach, aber bewundernswert, wenn man bedenkt, dass sie vor 500 bis 600 Jahren entstanden sind. Das Wasser, das durch verschiedene Gesteinsschichten sickert, wird über kleinere und größere Zuflüsse in einen Hauptstollen geleitet. Dort wird es gesammelt und durch Leitungen, die meist unter öffentlichen Straßen und Plätzen verlaufen, zu den städtischen Brunnen geleitet.

„Der Transport des Wassers erfolgt allein durch Druck und Gefälle, völlig ohne neue Technik“, erklärt Schnaidt. Der Marktbrunnen liegt 25 Meter tiefer als die Brunnenstube, rechnet Füger vor. Vom Hackersteigle bis dorthin ist die Leitung 1,3 Kilometer lang. Bis 1830 bestanden die Leitungen aus aufgebohrten Holzstämmen. Dann wurden sie stellenweise für ein Jahrhundert durch Bleileitungen ersetzt, seit 1930 liegen nun Stahlguss-Leitungen im Boden.

„Für diese Brunnenstube ist der Unterhaltungsaufwand sehr gering“, sagt Füger. Insgesamt wurden die Gelder für die Erhaltung der Brunnen im städtischen Haushalt vor einigen Jahren von 25 000 Euro auf 40 000 Euro aufgestockt. Manchmal müsse man Rohre erneuern oder auch verlegen, erklärt Füger weiter. „Das wird dann aber meistens mit anderen Baumaßnahmen, meist mit Straßenbauarbeiten, kombiniert.“

Während die Brunnenstuben im 16. Jahrhundert meist außerhalb der Stadt lagen, entstanden im Laufe der Zeit langsam Siedlungen an ihren Oberflächen. „Man muss bei Bauarbeiten immer darauf achten, keine wasserführenden Schichten zu zerstören“, betont Schnaidt. Vor ungefähr sieben Jahren sei beispielsweise durch unachtsame Bohrungen eine Brunnenstube im Winkelrain urplötzlich trocken gewesen – „und die im Hackersteigle ist dann übergelaufen“, erklärt er weiter. Das Wasser bahne sich eben seine Wege.

Starkregen versickert nicht

Müssten die Brunnenstuben bei der aktuellen Wetterlage nicht fast überlaufen? „Nein, gar nicht“, antwortet Füger. „Denn wenn es nur kurz und stark regnet, läuft das Wasser ab und versickert nicht.“

An Allerheiligen setzen die Beauftragten der Stadt die Brunnen wegen Frostgefahr außer Betrieb. Das Wasser in den Leitungen dagegen hat zehn Grad und friert nicht, so lange es fließt. Der Zugang zum Marktbrunnen wird dann einfach gesperrt und das Wasser wird stattdessen in den Ammerkanal abgeleitet. „Zur Osterzeit öffnen wir den Zugang dann wieder“, erklärt Schnaidt. Das höre sich ziemlich umständlich an, sei aber in der Regel unkompliziert und dauere nur zwei bis drei Wochen.

Das Wasser fließt in ein Sammelbecken und wird von dort zum Marktbrunnen geleitet. Bild: Metz

Das Wasser fließt in ein Sammelbecken und wird von dort zum Marktbrunnen geleitet. Bild: Metz

Die Brunnen der Stadt

Von Pfrondorf bis Derendingen, von Lustnau bis Hirschau: 83 öffentliche Brunnen gibt es in Tübingen. 68 von ihnen sind sogenannte Laufwasserbrunnen: Sie werden mit fließendem Wasser aus 42 stadteigenen Quellen betrieben.

Weitere elf Brunnen sind an das städtische Trinkwassernetz angebunden. Zwei davon, nämlich der am Sternplatz und der an der Panzerhalle, haben Trinkwasserqualität. Das heißt aber noch nicht, dass man aus ihnen auch trinken sollte, betont Hans-Jürgen Schnaidt: „Sie werden nicht regelmäßig überprüft.“

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Erstellt:
08.08.2017, 18:46 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 08.08.2017, 18:46 Uhr

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