Mit Engelszungen

Union und SPD im Dauerstreit

Eines vorweg zum besseren Verständnis: Es geht beim so genannten Stuttgarter Tor um ein gewaltiges Hochhaus, das die Silhouette von Reutlingen stark verändert, wenn es entsteht. Es geht bei dem Streit um dieses Gebäude allerdings mitnichten darum, dass ein Teil des Gemeinderats diesen massiven Baukörper befürworten und der andere Teil ihn ablehnen würde, im Gegenteil: Alle im Gremium sind sich einig, dass es sinnvoll sei, an dieser Stelle kräftig in die Höhe zu bauen.

02.07.2016

Von Thomas de Marco

Warum am Donnerstag dennoch so heftig wegen dieses Projekts gestritten wurde, hat einen anderen Grund: Die SPD will sich nach ihrem Widerstand gegen das Bauprojekt K 8 in der Katharinenstraße nun erneut als Anwalt des Reutlinger Stadtbilds profilieren. Weil das Hochhaus mittlerweile neun Meter höher werden soll als die Fassung, die beim Architekturwettbewerb vom Preisgericht ausgezeichnet worden war, wollen die Genossinnen und Genossen, dass sich die Bewertungskommission die Sache noch einmal anschaut. Eigentlich kein dramatischer Vorgang, weil dadurch der Zeitplan des Projekts nicht tangiert werde, wie Stefan Dvorak, der Leiter des Stadtentwicklungsamts, ausführte.

Dass allen voran die CDU-Fraktion sich aber so vehement gegen die planerische Vorsichtsmaßnahme wehrt, liegt daran, dass sie der SPD zum wiederholten Mal vorwirft, mit ihrem Verhalten Investoren abzuschrecken. Entsprechend heftig nahm sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Löffler die Sozialdemokraten vor: Die hätten schon das Wohn- und Geschäftshaus K 8 in der Katharinenstraße in der ursprünglichen Form zu Fall gebracht und dadurch 100 000 Euro in den Sand gesetzt, in dem sie auf die Straße gegangen seien. Das, so die CDU, sei höchst schädlich für Reutlingens Image bei Investoren. Das sehen auch andere Fraktionen so: Reutlingen habe da schon einen „sagenhaften Ruf“, monierte Regine Vohrer für die FDP. „So ein Hochhaus ist keine Gartenhütte, diese Signale sind nicht mehr reparabel!“

Gegen diese Vorwürfe wehrt sich Ulrich Lukaszewitz von der SPD vehement: Wenn die Mehrheit des Rats sich nun einem weiteren Einblick in dieses Projekt verweigere, obwohl der keine zeitliche Verzögerung bedeute, könne er sich nur fragen: „Ist das Ignoranz? Oder Parteinahme für den Investor?“ Allerdings muss sich die SPD fragen lassen, wieso sie solche Projekte immer erst mitträgt – um dann plötzlich mit ihren Einwänden zu kommen.

Aber auch Thomas Ziegler (Linke) kritisiert die CDU heftig: Es sei Zeichen kommunalpolitischer Schwäche, wenn man nichts anderes auf die Reihe bringe, als „den Sherpa für Investoren zu spielen“. Auffallend am Donnerstag war, dass sich Baubürgermeisterin Ulrike Hotz im Gegensatz zu OB Barbara Bosch komplett aus der Debatte heraushielt.

Wie tief die Kluft zwischen den beiden größten Fraktionen CDU und SPD mittlerweile ist, hatte sich schon zwei Tagesordnungspunkte vorher gezeigt: Bei einem Wohnprojekt in Gönningen hatte sich die Union vehement gegen den Antrag der Sozialdemokraten ausgesprochen, für einen Teil der Wohnungen Sozialbindung auszuweisen. „Die Investoren wissen doch gar nicht mehr, was dieser Gemeinderat ihnen vorschreibt!“, polterte CDU-Mann Löffler. Als der Antrag gegen die Stimmen der SPD abgelehnt war, giftete Genosse Lukaszewitz: „Kein schöner Tag für Reutlingen!“

Die Debatte ums Hochhaus demonstrierte dann, dass nicht nur CDU und SPD heillos zerstritten sind, sondern auch das gesamte Gremium in zwei Teile gesplittet ist: Auf der einen Seite die um Investoren-Interessen besorgten Fraktionen CDU, FWV, FDP und WiR, auf der anderen SPD, Grüne und Linke als Gralshüter von Transparenz und Bürgerakzeptanz. Das ist eine Polarisierung, die für die anstehenden Haushaltsberatungen nichts Gutes erahnen lässt.

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Erstellt:
02.07.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 32sec
zuletzt aktualisiert: 02.07.2016, 01:00 Uhr

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