No!

No!

Politsatire aus Chile um einen einen jungen Werbeprofi, der 1988 die Kampagne gegen die Wiederwahl Pinochets geleitet hat.

04.03.2012

Von Klaus-Peter Eichele

14.09.2015 Jetzt im Kino: Wie Diktator Pinochet aufs Altenteil kam - "No" mit Gael García Bernal
02:02 min
Jetzt im Kino: Wie Diktator Pinochet aufs Altenteil kam - "No" mit Gael García Bernal --

1988 beschloss Chiles Diktator Augusto Pinochet auf internationalen Druck hin, seine Schreckensherrschaft auf originelle Art zu verlängern. Das Volk sollte ihn per Referendum für weitere acht Jahre im Amt bestätigen. Obwohl erstmals auch mit "Nein" gestimmt werden konnte, zweifelte niemand in Pinochets Apparat ernsthaft an einem Erfolg. So gewährte man im Vorfeld der Wahl auch der zerstrittenen, von Repression und Exil geschwächten Opposition täglich 15 Minuten Sendezeit im Staatsfernsehen.

Hier tritt René Saavedra, gespielt vom mexikanischen Superstar Gael García Bernal, auf den Plan. Der junge Mann stammt zwar aus einer Familie von Regimegegnern, er selbst hat sich als Spitzenkraft einer großen Werbeagentur jedoch warm in der Diktatur eingerichtet. So zögert er lange, das Angebot der Opposition anzunehmen, die Nein-Kampagne zu organisieren - doch dann macht er sich mit Feuereifer ans Werk. Seine mit allen Wassern modernen Marketings - Logo, Jingle, Slogan - gewaschenen TV-Spots lassen die Konkurrenz-Filmchen der Regierung bald uralt aussehen. Der Preis: Politik wird aufs Simpelste reduziert; die mörderischen Schandtaten Pinochets kommen, sehr zum Ärger der linken Altvorderen, überhaupt nicht vor. Doch das Ergebnis spricht für sich: Am 5. Oktober wurde der Diktator mit einer Mehrheit von 56 Prozent aus dem Amt gejagt.

Die wahre, wenn auch satirisch stark zugespitzte Geschichte (Buch und Regie: Pablo Larrain) stürzt den Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle. Natürlich freut man sich diebisch, wenn die furchtbaren alten Männer von einer jugendlich frischen Kampagne in die Defensive gedrängt werden und in Panik geraten. Die schmutzigen Tyrannentricks, bei denen sie einmal mehr Zuflucht suchen, kommen allerdings zu spät. Doch ist es auch bedrückend zu sehen, wie der politische Diskurs hinter einer PR-Strategie verschwindet, mit der man auch Windeln und Brause verkaufen kann - selbst wenn es einem guten Zweck dient. Man kann die Botschaft dieses cleveren, nach Art eines Amateurvideos aus den Achtzigern gestylten Films sogar noch weiter dehnen: Pinochet sind die Chilenen im Oktober 1988 losgeworden - der zügellose Kapitalismus hat aber gerade erst begonnen.

So stürzt man eine Diktatur mit den Mitteln der Coca-Cola-Reklame. Ist das nun gut oder böse?

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Erstellt:
04.03.2012, 12:00 Uhr
Aktualisiert:
30.05.2013, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 07sec
zuletzt aktualisiert: 30.05.2013, 12:00 Uhr

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Klex 30.03.201312:00 Uhr

Schon wegen der Vorfilme unbedingt reingehen: Musikalische Epiphanien mit einem Grundig-Stereokassettengerät + erfolgreiche Intelligenzsteigerung durch Karussell fahren (mit kleinen Pannen, aber ohne Fehler!). Das müsst ihr euch reinziehen!
Der Hauptfilm enthält fast 30 Prozent dokumentarisches Filmmaterial über die Kampagnen beider Seiten und ist ein TOTAL SPANNENDES politisches Lehrstück. Dass der Sieg der Pinochetgegner mit Logo, Jingle und Slogan, Humor, Modernität und Intelligenz ein riesiger historischer Fortschritt war, steht für mich außer Frage. Unendlich viel besser, als wenn sie den Diktator mit Filmen über seine politischen Schandtaten an der Macht gehalten hätten. Die Schandtaten werden ja nun von den Gerichten aufgearbeitet. Der Film ist ein Plädoyer für einen keineswegs prinzipienlosen gegenwarts- und zukunftsorientierten Pragmatismus und gegen eine politisch und humanitär kontraproduktive Verhaftung in einer grausigen, aber vergangenen Vergangenheit. Die Toten werden niemals wieder lebendig, aber es können immer Lebende gerettet werden.

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