Mustang

Mustang

Das Oscar-nominierte Drama prangert am Schauplatz eines türkischen Dorfs die Dämonisierung weiblicher Sexualität an.

02.02.2017

Von Verleih

Mustang

Wenn dieser türkische Film am Sonntag den Oscar gewinnen sollte, wird sich der Jubel innerhalb der Regierungspartei AKP und ihrer Anhänger in Grenzen halten. Denn „Mustang“ wendet sich scharf gegen die von der Erdogan-Truppe betriebene Islamisierung der Gesellschaft und die damit verbundene Schikanierung von Frauen.

Die Geschichte führt in eine ländliche Gegend an der Schwarzmeerküste im Nordosten des Landes, wo die AKP ihre Massenbasis hat, und beginnt mit Bildern puren Jugendglücks. Auf dem Heimweg von der Schule balgen sich fünf Schwestern am Strand freundschaftlich mit gleichaltrigen Jungs.

Daheim angekommen, bricht über die von einer Nachbarin denunzierten „Huren“ die Hölle herein. Sie dürfen das Haus nicht mehr verlassen, Computer und Telefone werden abmontiert, später noch die Fenster vergittert. Statt zur Schule zu gehen, werden sie von Kopftuch-Frauen in Hauswirtschaft unterrichtet. Nachdem die Mädchen bei einem heimlichen Ausflug zu einem Fußballspiel erwischt worden sind, arrangiert ihr erziehungsberechtigter Onkel zügig Zwangsheiraten.

Doch die in Frankreich ausgebildete Regisseurin Deniz Gamze Ergüven will in ihrem starken Debütfilm nicht nur ohnmächtige Opfer patriarchaler Verhältnisse zur Schau stellen. Vielmehr kontrastiert sie die von der Angst vor der weiblichen Sexualität befeuerten Restriktionen mit der zunächst unverbrüchlichen Solidarität der Schwestern; den Versuchen, sich auch im häuslichen Gefängnis ihre Lebenslust und ihren Freiheitsdrang zu bewahren.

Während sich die Älteren aber nach und nach resigniert ins vermeintlich Unabwendbare fügen, staut sich bei dem Nesthäkchen der Familie, das die Geschehnisse zunehmend angeekelt beobachtet, eine immer größere Wut an.

Die unvermeidliche Eskalation, die „Mustang“ im letzten Drittel beinahe Thriller-Qualitäten verleiht, zeigt auch, dass der von den Konservativen forcierte Kulturkampf in der Türkei längst noch nicht entschieden ist.

Die Schicksale von fünf Schwestern werden zum Spiegelbild türkischer Verhältnisse.

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Erstellt:
02.02.2017, 11:56 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 53sec
zuletzt aktualisiert: 02.02.2017, 11:56 Uhr

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Elli Emann 28.02.201608:36 Uhr

Ein Film, der in der Türkei sicher nicht unbedingt von allen goutiert wird. Genau aus dem Grund wünsche ich dem Film einen Oscar !
Ungeschönt zeigt er, dass Frauen nicht nur Opfer sind, sondern irgendwann zu Täterinnen werden, indem sie -wie im Film- als Großmutter, Tante, Nachbarin etc. das System mitttragen gemäß dem Motto "euch soll es nicht besser gehen als uns". Es stellt sich auch die Frage, welches Frauenbild Männer bekommen, wenn sie mit einem derartigen System, einem derartigen Frauenbild aufwachsen.
Ein Film mit viel Gesprächsbedarf anschießend.

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