Pünktlichkeit ist Frauensache

Aus der (Spieler-)Not trainieren beim SV 03 Tübingen die Frauen mit den Senioren

Während in der freien Wirtschaft immer mal wieder der Ruf nach einer Frauenquote laut wird, ist sie im Sport vielerorts schon Realität. Zum Beispiel beim SV 03 Tübingen: Dort treffen sich die Alten Herren und das Frauenteam jeden Freitag zum gemeinsamen Fußballtraining. Und beide Seiten profitieren davon.

25.05.2016

Von David Scheu

Ohne Geschlechtertrennung: AH-Kicker und Fußballerinnen des SV 03 Tübingen (Zweiter von rechts Helmut Roth, Sechste von links Sandra Ott). Bild: Ulmer

Ohne Geschlechtertrennung: AH-Kicker und Fußballerinnen des SV 03 Tübingen (Zweiter von rechts Helmut Roth, Sechste von links Sandra Ott). Bild: Ulmer

Angefangen hat alles vor über zwei Jahren. Damals nämlich hatten die Alten Herren (AH) des Nulldrei akuten Spielermangel. „Im Schnitt waren wir zu viert, teilweise hat das Training dann gar nicht stattgefunden“, erinnert sich Ex-Profi Helmut Roth, aktuell Spieler der AH und Trainer des SV 03-Frauenteams. Da zugleich die Frauen im Verein nur eine Trainingszeit, aber Lust auf ein zweites Mal Kicken pro Woche hatten, lag die Lösung nahe: „Wir haben die Mädels einfach mal zu uns eingeladen“, sagt Roth. Inzwischen hat sich das Ganze verselbständigt. Durchschnittlich vier Fußballerinnen aus dem Frauenteam kommen jeden Freitag zur AH, um neben ihren beiden regulären Einheiten am Montag und Mittwoch noch ein drittes Training pro Woche zu absolvieren. Regelmäßig dabei sind Spielführerin Sandra Ott und Viola Benkendorff, mit sieben und fünf Treffern die erfolgreichsten Torjägerinnen ihres Teams in der laufenden Saison.

Dass ihre Treffsicherheit auch mit dem Freitagstraining zu tun hat, will ihr Coach Roth zumindest nicht ausschließen: „Die Einheiten mit der AH tun den Mädels richtig gut!“ Vor allem in puncto Physis und Spielverständnis könne er klare Fortschritte erkennen. Das bestätigt auch Ott selbst: „Die Männer helfen uns mit ihrer Erfahrung enorm weiter.“ Inzwischen ist auch von einem Leistungsgefälle kaum noch was zu sehen – die Frauen sind akzeptiert und mit vollem Engagement dabei. „Ich muss die Mädels am Freitag oft bremsen, damit sie am Sonntag beim Spiel nicht kaputt sind“, sagt Roth. Aber auch die Männer sind nach einer anfänglichen Abtastphase inzwischen froh um jede Spielerin, die dazu stößt: „Sechs gegen Sechs macht einfach auch mehr Spaß als Drei gegen Drei“, sagt Roth. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten also.

Vor allem aber habe das Frauenteam durch das gemeinsame Training mit der AH eine unheimlich gute Einstellung zum Verein entwickelt, sagt Roth: „Die sind hier inzwischen voll integriert.“ Zu ihren Festen haben die Alten Herren die Frauen zum Beispiel schon eingeladen. Und auch die Zuschauerzahlen bei den Frauenspielen sind inzwischen gestiegen. „Vielleicht einfach deshalb, weil sich der eine oder andere AH-Kicker doch davon überzeugen will, ob die Tricks vom Freitagstraining auch am Sonntag funktionieren“, vermutet Roth. Auf die Frage angesprochen, ob die Frauen dann im Gegenzug auch bei den Spielen der AH zuschauen, muss Sandra Ott schmunzeln: „Mehr eigentlich. Wir haben auch schon bei der AH ausgeholfen, als die zu wenige Spieler hatte.“ Insgesamt drei Mal bisher, in einem ganz normalen Spiel auf das Großfeld. Und mit Einverständnis des Gegners natürlich.

Bei aller Harmonie bleiben gewisse Frotzeleien aber natürlich auch nicht aus. Mit der Pünktlichkeit der Alten Herren sei es etwa nicht weit her, heißt es unisono aus dem Frauenteam. Während sich Ott und Benkendorff freitags oft schon eine halbe Stunde früher zum gemeinsamen Joggen treffen, erreicht die AH erst im Verlauf des Trainings ihre volle Mannschaftsstärke. Und da ist natürlich auch noch die lange etablierte Fußballsprache, die so schwierig aus den Köpfen zu bekommen ist. „Jungs, spielt die Bälle in den Fuß!“, fordert Roth auch heute noch immer wieder. Und erntet verdutzte Blicke seiner Spielerinnen, die dann zurück fragen: „Welche Jungs?“ Schließlich nicht zu vergessen die Grenzen, die laut Sandra Ott nach Trainingsende gezogen werden: „Wir duschen getrennt.“

Helmut Roth gibt Trainerposten ab

Seit dieser Saison nimmt das Frauenteam des SV 03 Tübingen am Punktspielbetrieb des Verbands teil. Vor allem die Trainingsbeteiligung stimmt die Beteiligten zuversichtlich. „Ich habe noch nie eine Mannschaft trainiert, die so engagiert im Training war. Weniger als 15 sind wir eigentlich nie“, sagt Trainer Helmut Roth. Und das will was heißen, schließlich hat der 66-jährige frühere Bundesligaspieler in der Region schon einige Teams betreut. Daher überrascht es auch nicht, dass die SV 03-Frauen auch in der kommenden Saison wieder am Ball sein werden. Dann allerdings ohne Helmut Roth. Dem aktuellen Coach ist der Aufwand zu groß. „Leider“, sagt Spielführerin Sandra Ott und betont, dass die Mannschaft gerne mit dem Trainer weitergemacht hätte. Ein Nachfolger steht noch nicht fest, der Verein befindet sich derzeit auf der Suche.

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Erstellt:
25.05.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 08sec
zuletzt aktualisiert: 25.05.2016, 01:00 Uhr

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