45-Jähriger wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen vor Gericht

Reutlingen/Tübingen. Über 30 Minuten dauerte es, bis Staatsanwältin Rotraud Hölscher gestern die Anklage vorgelesen hatte: Dem vorm Landgericht Tübingen angeklagten Reutlinger wird vorgeworfen, in 73 Fällen pornografische Schriften verbreitet zu haben. Zudem soll er unter anderem ein Kind schwer sexuell missbraucht sowie in drei Fällen jugendliche Mädchen sexuell missbraucht und vergewaltigt haben. Ihm drohen 2 bis 15 Jahre Haft.

Von Herbst 2013 bis zum Dezember vergangenen Jahres soll der Angeklagte über die Internetplattform „Kwick“ gezielt Kontakt zu Mädchen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren gesucht haben. Dabei habe er sich als Sportlehrer, Steuerberater oder auch als 16-Jähriger ausgegeben. Er habe es geschafft, die Handynummer von einigen Mädchen zu bekommen, um ihnen anschließend per Whatsapp zu schreiben. In diesen Chats habe er umgehend über sexuelle Interessen gesprochen und den Mädchen unaufgefordert pornografische Bilder und Videos geschickt. Im Gegenzug habe er Mädchen aufgefordert, Nacktbilder zu schicken oder zu masturbieren.

Die Mädchen, zu denen er Kontakt hatte, stammen aus ganz Baden-Württemberg. Mit einigen Mädchen habe er sich schließlich auch persönlich getroffen. Manchen habe er für ein Treffen, für Sex oder für Oralverkehr Geld, ein Handy oder eine Einkaufstour versprochen. Mit einem damals 13-jährigen Mädchen sei es im Frühjahr 2013 in Harburg (Schwaben) zu Geschlechtsverkehr gekommen.

Im Februar 2014 soll er sich mit einer 14-Jährigen in Aichtal (Landkreis Esslingen) getroffen und sie zum Oralverkehr gezwungen haben. Zwei Wochen später habe sich solch ein Treffen wiederholt. Auch mit einem anderen 14-jährigen Mädchen aus Gäufelden (Landkreis Böblingen) sei es zunächst im Auto zum Oralverkehr gekommen, schließlich habe er das Mädchen in ein Hotel gefahren, um dort Sex mit ihr zu haben. Bei einem weiteren Treffen zuhause bei dem Mädchen sei es ebenfalls zu Geschlechtsverkehr gekommen. Mit gleich drei Mädchen hat sich der Reutlinger laut Anklage im Februar 2015 in Waldenbuch getroffen. Den Mädchen, darunter eine 14-Jährige, soll er Alkohol angeboten und das Fahren mit seinem Auto als Gegenleistung für Oralverkehr versprochen haben.

Treffen auf einem Parkplatz in Reutlingen

Einer 15-jährigen Reutlingerin gegenüber habe sich der Mann, der verheiratet ist und selbst drei Töchter hat, als vermögender Steuerberater ausgegeben. Dem Mädchen soll er Geld für Geschlechtsverkehr angeboten haben. Im vergangenen Dezember habe er sich spät abends mit ihr auf einem Supermarkt-Parkplatz in Reutlingen getroffen, um auf den Parkplatz einer Grundschule weiter zu fahren. Dort habe er die 15-Jährige zum Oralverkehr gezwungen, anschließend sei es zum Geschlechtsverkehr gekommen. Bei einem zweiten Treffen ebenfalls im Dezember wollte der Mann mit dem Mädchen in eine Pension fahren. Er ließ von dem Plan ab, da ihn die Polizei verfolgte, die sein entstempeltes Autokennzeichen bemerkt hatte.

Zu den Vorwürfen wolle sich der Angeklagte vorerst nicht äußern, ließ dessen Anwalt Achim Unden wissen. Die Fälle waren bekannt geworden, weil sich ein Mädchen bei der Polizei meldete, das per Whatsapp ein pornografisches Foto erhalten hatte. Bei der Hausdurchsuchung des verdächtigen Mannes fand die Polizei sowohl kinder- und jugendpornografische Bilder und Videos als auch Chat-Protokolle. Der Prozess wird am 20. Juni fortgesetzt, bis zum 21. Juli plant die Jugendkammer noch acht weitere Verhandlungstage.

Info Vorsitzende Richertin: Diana Scherzinger; Richter: Benedikt Quarthal; Beisitzer: Thomas Geiger; Schöffen: Christel Rosenstiel, Hubert Rimmele; Staatsanwältin: Rotraud Hölscher; Nebenklägervertreterin: Andrea Sautter; Verteidiger: Achim Unden; Gutachter: Peter Winkler.