Nahost

Israelis gegen Israelis

Präsident Reuven Rivlin warnte bereits im israelischen Fernsehen vor einem „Bürgerkrieg“ und rief beide Seiten zur Mäßigung auf. Seine Sorge: Gewaltausbrüche zwischen arabischen und jüdischen Israelis.

15.05.2021

Von AGNES FAZEKAS

Zerstörungen nach Krawallen in Tel Aviv. Foto: Ahmad Gharabli/afp

Zerstörungen nach Krawallen in Tel Aviv. Foto: Ahmad Gharabli/afp

Tel Aviv. Bislang hielten sich die arabischen Israelis traditionell bislang eher heraus, wenn es zwischen Palästinensern in Ostjerusalem und den Siedlern oder Soldaten brodelte. Viele Palästinenser wiederum betrachten ihre Brüder und Schwestern hinter der grünen Linie als weichgewaschen: Sie haben einen israelischen Pass, die besseren Jobs – und Bewegungsfreiheit. Doch diesmal ist vieles anders als sonst.

Über Jahrzehnte ließ Israel die arabische Bevölkerung links liegen, egal ob es um Wohnraum oder Infrastruktur ging. Zwar brach Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ironischerweise ausgerechnet in den letzten Wochen ein Tabu, und biederte sich relativ verzweifelt der arabischen Ra'am-Partei an, um eine Regierung bilden zu können. Aber aus gleichem Grund hatte er in den Wahlkampagnen zuvor den Unmut der arabischen Bürger mit rassistischen Wahlkampagnen befeuert – und in seinem Profilierungskampf schließlich die Ultrafaschisten wieder gesellschaftsfähig gemacht: Als Vereinigung der „Religiösen Zionisten“ schafften sie den Einstieg in die Knesset.

Zwar repräsentieren die jüdischen Schläger der ultrarechten Organisation Lehava oder der rechtsextremen Hooligangruppe La Familia genauso wenig die Mehrheit der jüdischen Israelis wie zündelnde Araber die muslimische und christliche Minderheit im Land – doch natürlich stacheln sie die Stimmung weiter auf. Die Kluft und das Misstrauen werden spürbar größer, und das in Städten und Vierteln, die für friedliche Koexistenz standen. So ging beispielsweise in der Küstenstadt Akko das allseits beliebte Fischrestaurant „Uri Buri“ in Flammen auf.

Während das Raketenfeuer auf Israel andauerte, bereitete sich die Polizei auf Proteste und Zusammenstöße zwischen Juden und Arabern vor. Dass sie sich dabei oft sichtbar auf die jüdische Seite stellt, entzürnt wiederum auch friedliche Araber, und erinnert an die alltägliche Diskriminierung. Selbst wenn sich Israel und die Hamas bald zu einem Waffenstillstand bewegen lassen sollten: Diese Wunden im eigenen Land werden nicht so schnell vernarben. Agnes Fazekas