Kommentar über rassistische Äußerungen Boris Palmers

Eines Oberbürgermeisters einer Unistadt nicht würdig

Boris Palmer ist Radfahrer. Politisch aber benimmt er sich oft wie ein Porsche-Fahrer, der sich im Sand festgefahren hat, aufs Gas drückt und sich so nur noch tiefer eingräbt statt sich mit Gefühl zu befreien.

03.05.2018

Von Gernot Stegert

Erneut geht es um rassistische Äußerungen Palmers, die er nicht wahrhaben will. Und einmal mehr will der bundesweit als Talkshowgast Gefragte es anders gemeint haben und nur unangenehme Wahrheiten aussprechen.

Ausgangspunkt diesmal war ein Erlebnis auf dem Weg zu den Kollegen der Südwest Presse in Ulm. Dort fuhr ein Rüpelradler den Tübinger Oberbürgermeister fast um. Das hätte Palmer so erzählen und sich ärgern können. Doch er fügte das prollige Outfit und die schwarze Hautfarbe hinzu. Und mutmaßte auf den Status Asylbewerber. In dieser unlogischen Gedankenkette steckt der Rassismus Palmers.

Der von Sabine Lohr im „Übrigens“ vom Samstag und von Hunderten von Facebook-Kommentatoren Kritisierte widerspricht: „Ich habe aus fünf Merkmalen auf den Aufenthaltsstatus des Kampfradlers geschlossen: Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Dresscode, Sozialverhalten.“ Das las sich zunächst anders, aber sei‘s drum. Warum jedoch erwähnt Palmer die Hautfarbe überhaupt? Er sagt stets: Weil es so war. Hier zeigen sich die Scheuklappen des selbsternannten Wahrheitspropheten. Er will oder kann nicht verstehen, dass bestimmte Eigenschaften für ein Verhalten schlicht unerheblich sind. Dazu gehört die Hautfarbe. Würde sein „weil es so war“ stimmen, dann müsste der OB auch bei blassen blonden Rüpeln und Verbrechern ihr Äußeres benennen. Die sind aber keine Asylbewerber, würde Palmer sagen.

Woher aber weiß der Unbeirrbare, dass er in Ulm einen Asylbewerber vor sich hatte? Zunächst begründete er seine Vermutung noch mit einem entlarvenden „ich wette, dass“. Dann hat er nachgerechnet: „Für junge Männer schwarzer Hautfarbe gilt in Ulm ganz konkret: Von 600 Ende 2016 gemeldeten Menschen mit schwarzafrikanischem Pass waren 350 Asylbewerber.“ Merkt der Politiker eigentlich, dass er Schwarze mit Afrikanern gleichsetzt? Denn es gibt in Ulm viel mehr Schwarze als die mit schwarzafrikanischem Pass: Studierende, Wissenschaftler, Basketballer, viele andere – aus Afrika, aus den USA, in Deutschland geboren und aufgewachsen. Wie in Tübingen. Für den OB einer Universitätsstadt sind solche Kurzschlüsse peinlich bis skandalös. Seine Statistik ist pseudoobjektiv. Denn sie ist zirkulär, weil er vom Pass ausgeht, was erst zu beweisen gewesen wäre.

Ja, Rassismus ist ein harter Vorwurf, der oft als Keule den Gegner mundtot machen soll. Diese Erkenntnis ist aber kein Freibrief für verantwortungsloses Erwähnen der Hautfarbe, für Ängste und Vorurteile schürendes Gerede. Dagegen sagt Palmer: Das „sozial inakzeptable Fehlverhalten eines Teils der Asylbewerber“ löse Vorbehalte aus. Richtig, aber das ist kein Widerspruch. Beides sind Gründe. Und ja, über Probleme bei der Integration von Migranten und Flüchtlingen muss offen gesprochen werden. Ihnen müssen gesellschaftliche Werte und Rahmen, über Gesetze hinaus, klar vermittelt werden. Das hat Palmer aber nicht exklusiv, wie er es verkauft. Vor allem redet er nicht sachlich über Probleme, wie er meint. Er emotionalisiert, polarisiert und schadet damit dem, was er vorgeblich will.