Tübingen/Berlin · Mobilität

E-Roller-Sharing: Coup-Aufgabe ist nicht das Ende

Am 9. Dezember stellt Coup seinen E-Roller-Verleih in Tübingen ein. Stadtwerke und TeilAuto bieten den Service ab 2020 selbst an.

26.11.2019

Von Moritz Hagemann

Coup-Roller flitzen nicht mehr lange durch die Tübinger Uhlandstraße. Dafür bald andere Exemplare. Archivbild: Ulrich Metz

Coup-Roller flitzen nicht mehr lange durch die Tübinger Uhlandstraße. Dafür bald andere Exemplare. Archivbild: Ulrich Metz

Man hatte sich bei den Tübinger Stadtwerken bereits auf die übliche Winterpause für die mintgrünen Zweiräder eingestellt, als am Montagnachmittag durchsickerte: Der E-Roller-Sharingdienst Coup gibt auf (wir berichteten). „Das kam für uns tatsächlich überraschend“, sagt SWT-Sprecher Ulrich Schermaul. Das hiesige Angebot ist eine Kooperation mit den Stadtwerken und TeilAuto Neckar-Alb. Am 9. Dezember um 18 Uhr soll damit Schluss sein.

Das jähe Ende der hundertprozentigen Bosch-Tochter scheint tatsächlich ohne große Vorankündigung gekommen zu sein. Auf der Coup-Homepage waren am Dienstag gar noch neun Stellen ausgeschrieben, obwohl sich alle 120 Mitarbeiter in Berlin (dort sind es 75), Paris und Madrid neue Arbeitsplätze suchen müssen. Coup kündigt an, den Mitarbeitern bei der Vermittlung der Stellen zu helfen – oder aber Abfindungen zu bezahlen.

Palmer verkündet Fortsetzung

Das Coup-Aus bedeutet jedoch nicht das endgültige Ende des E-Roller-Sharings in Tübingen. „Wir werden unser Möglichstes und Bestes tun, um ein neues Angebot zu schaffen“, sagt SWT-Sprecher Schermaul. Oberbürgermeister Boris Palmer, der Aufsichtsratsvorsitzende der SWT, wird gegenüber dem TAGBLATT konkreter: Die Stadtwerke hätten bereits vor der Meldung des Coup-Rückzugs intern entschieden, „den Service ab 2020 in einer Kooperation mit TeilAuto selbst anzubieten“.

Könnten Stadtwerke und TeilAuto also die 30 E-Roller einfach aufkaufen? „Stand heute können wir dazu nichts sagen“, sagt Schermaul, der nicht spekulieren möchte. Zeit bleibt: In der Regel machen die Coup-Roller von Dezember bis Anfang April sowieso Winterpause. „Mir ist es sehr wichtig, dass diese klimaneutrale, leise und saubere Ergänzung des innerstädtischen Mobilitätsangebotes fortbesteht“, sagt Palmer.

Umfrage

Die Infrastruktur wird für mögliche Nachfolge-Szenarien eine wichtige Rolle spielen. Coup kann seine Elektroroller laut Firmensprecherin Julia Grothe nicht an Privatpersonen veräußern, weil sie mit „industriellen Ladeanschlüssen“ versehen seien. Es gebe hierzulande keine Ladeinfrastruktur wie in Taiwan. Dort kommt der Roller-Hersteller „Gogoro“ her. Dort gibt es große Ladestationen: Akku raus, anderer Akku rein – ein System, das Coup auch in Berlin öffentlich zu integrieren versuchte. Die Anzahl möglicher Roller-Abnehmer sei folglich begrenzt.

„Haben das ein bisschen mitfinanziert“

In Tübingen hat der Anbieter mit 30 E-Rollern seine mit Abstand kleinste Flotte: Insgesamt besitzt Coup weitere 5000 Roller in Berlin (1500), Madrid (1300) und Paris (2500). „Wir haben das ein bisschen mitfinanziert“, so Schermaul über die Ansiedlung in Tübingen. Über Details wolle man jedoch nicht öffentlich sprechen.

Nur so viel: Coup kümmert sich hauptsächlich um den Kundenservice und die Abwicklung, die Stadtwerke übernehmen Marketing- und Werbeaufgaben. TeilAuto ist für die Logistik verantwortlich, tauscht etwa Akkus aus oder parkt Roller um, die außerhalb der Grenzen abgestellt wurden. In Tübingen war die Kooperation bis Juni 2020 besiegelt. Begonnen hatte alles im Juni 2018.

Dabei sagen die Beteiligten, dass der Service gut zu Tübingen passt: „Das Angebot hat eine Lücke im Mobilitätsmix geschlossen“, zeigt sich Schermaul überzeugt. Aus Berlin teilt Grothe am Dienstag auf Nachfrage mit, dass man mit den Nutzungszahlen in Tübingen „zufrieden“ ist, weil sie so wie erwartet sind – ohne jedoch Zahlen zu nennen.

Allerdings müsse man das Geschäft als großes Ganzes sehen. In Berlin sei der Sharingmarkt inzwischen überlaufen, die Konkurrenz zuletzt riesig geworden. „Wenn man sich dort für einen Rückzug entscheidet, kann man nicht Tübingen aufrechterhalten“, sagt Grothe. Zudem seien die Servicekosten in die Höhe geschossen. Es sei nicht mehr möglich, „Coup langfristig auf ökonomisch vernünftige Beine zu stellen“, so die Sprecherin.

Siehe dazu auch den Kommentar.

Wie funktioniert Coup?

Die Vermietung der Roller wird über eine App geregelt, es können verschiedene Pakete gekauft werden. Ein Beispiel: Wer 100 Minuten kauft, bezahlt 20 Cent pro Minute. Wer gleich 500 Minuten nimmt, muss nur 18 Cent pro Zeigerumdrehung berappen. Und wer gar kein Paket bucht, bezahlt pro Minute 21 Cent. Die Bezahlung erfolgt per Kreditkarte. Bereits gebuchte Pakete, die bis zum 9. Dezember nicht genutzt werden, will das Unternehmen zurückerstatten.