Tübingen · Mühlstraße

Palmer: „Beteiligung führt zu Zeitverlust“

Tübingens OB Boris Palmer kontert die Kritik aus dem Gemeinderat.

26.07.2019

Von Gernot Stegert

Bilder und Montage: Ulrich Metz

Bilder und Montage: Ulrich Metz

Oberbürgermeister Boris Palmer hat die Kritik der meisten Gemeinderatsfraktionen an seinem Vorgehen (wir berichteten) zurückgewiesen. Die AL/Grünen-Fraktion hatte eine autofreie zentrale Verkehrsachse beantragt, beginnend mit dem Vorrang für Radler auf der Neckarbrücke. Palmer hatte dies in der Ratssitzung am Dienstagabend für eine Testphase von zwei Monaten zugesagt. Von der Mühlstraße war dort keine Rede. Dass Autos in diese nicht mehr von der Neckbrücke fahren dürfen, teilte die Stadt tags darauf mit.

Palmer erklärte: „Es wird im Gemeinderat immer gern gesehen, wenn die Verwaltung einen Antrag zusagt, falls das geht.“ Der Antrag von AL/Grünen zur Neckarbrücke „ging vor zwei Wochen ein. Eine interne Prüfung hat Verwaltungszuständigkeit ergeben. Daher habe ich den Auftrag zur Umsetzung erteilt.“ Doch warum hat er dann nicht den Gemeinderat spätestens zu Beginn der Sitzung informiert? Palmer: „Gegenüber der antragstellenden Fraktion wäre es ziemlich unfair, das auf das Konto des OB zu buchen, indem ich es einfach vorab verkünde.“

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So aber sahen sich die meisten anderen Fraktionen übergangen und beklagten „eine grobe Missachtung des Gemeinderats“ (Ernst Gumrich, Tübinger Liste), „einsame Entscheidungen“ (Ulrike Ernemann, CDU), einen „Skandal“ (Dietmar Schöning, FDP), eine „Von-oben-runter-Politik Palmers“ (Gerlinde Strasdeit, Linke). Martin Sökler (SPD) fühlte sich ausgetrickst und ärgerte sich, gerade weil die SPD viele Ziele teile: „Wir wären in der Sache ja bei ihm – aber nicht so.“

Nicht empört waren AL/Grüne. Christoph Joachim teilte mit: „Wenn Sie zwei und zwei zusammenzählen, war klar, dass es ohne Einschränkungen beim Kraftfahrzeug-Verkehr in der Mühlstraße nicht gehen kann.“ Auch „Die Fraktion“ aus „Die Partei“ und Demokratie in Bewegung“ stützt Palmer. „Wir begrüßen den Vorrang für den Radverkehr sehr!“, schreibt der Vorsitzende Vogt und erklärt zum Vorgehen des OB: „Palmer ist ein klassischer Öko-Stalinist. Das ist aber gerade in diesen Zeiten eher hilfreich. Der Gemeinderat kann sich hinterher über das undemokratische Vorgehen immer noch aufregen. Da machen wir gerne mit, um im gleichen Zuge die Maßnahme gutzuheißen.“

Palmer zeigte dem Gemeinderat Grenzen auf. „Immer wenn ich von der Kompetenz, Themen des Verkehrs allein zu entscheiden, Gebrauch gemacht habe, gab es diese Kritik aus dem Rat. Auch frühzeitige Beteiligung hat daran nichts geändert“, teilte er dem TAGBLATT mit. „Es geht darum, dass der Rat etwas beansprucht, das ihm rechtlich nicht zusteht.“ Palmers Lehre: „Ich habe für mich den Schluss daraus gezogen, dass der Ärger immer gleich groß ist. Beteiligung führt zu langen Diskussionen und Zeitverlust, aber nicht zu weniger Empörung. Der Ertrag ist also null und ich muss mich immer fragen, ob mir das Thema so wichtig ist, dass ich den Ärger in Kauf nehme.“