Tübingen · Justiz

Arzt wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Das Tübinger Amtsgericht hat einen Narkosearzt wegen fahrlässiger Tötung verurteilt: Bei einer Zahn-OP war im Herbst 2016 ein Mann kollabiert und hatte schwere Hirnschäden erlitten.

18.06.2019

Von Jonas Bleeser

Das Gerichtsgebäude in der Tübinger Doblerstraße. Archivbild: Ulrich Metz

Das Gerichtsgebäude in der Tübinger Doblerstraße. Archivbild: Ulrich Metz

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der heute 73-jährige Angeklagte die mehrstündige Zahn-Operation früher hätte abbrechen müssen. Der 54-jährige Patient war nach etwa siebeneinhalb Stunden in Behandlung kollabiert und hatte einen Herz-Kreislauf-Zusammenbruch erlitten. Wie sich später herausstellte, kam es dabei zu schwersten Hirnschäden. Nach Rücksprache mit der Familie wurden letztlich die lebenserhaltenden Maßnahmen eingestellt.

Die Staatsanwaltschaft hatte nach einem anonymen Hinweis die Ermittlungen aufgenommen. Sie sah die Verantwortung beim Anästhesisten: Er habe trotz alarmierend niedriger Sauerstoffsättigungswerte die OP nicht vorzeitig beendet. Die angewandte Betäubungsmethode mit dem gängigen Mittel Propofol über einen derart langen Zeitraum hätte eine besonders hohe Sorgfaltspflicht verlangt. Deshalb erwirkte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht einen Strafbefehl: Wegen fahrlässiger Tötung verhängte dieses eine Haftstrafe von neun Monaten, die gegen die Zahlung von 10.000 Euro zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dagegen hatte der Arzt Einspruch eingelegt.

Nach vier Prozesstagen und dem Auftritt von vier Gutachtern kam die Richterin nun erneut zum selben Ergebnis: „Es ist ein Mensch gestorben, der völlig gesund war. Sein Tod wäre durch ein Unterbrechen der Operation relativ leicht vermeidbar gewesen“, sagte die Richterin. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr Haft auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt gefordert, die Verteidigung Freispruch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (mehr später auf tagblatt.de und in der Mittwochsausgabe des SCHWÄBISCHEN TAGBLATTs).