Schule

Zwischen Erleichterung und Sorge vor der „Delta-Variante“

Der weitgehende Wegfall der Maskenpflicht im Unterricht stößt im Südwesten auf geteiltes Echo. Vor allem Lehrerverbände sind skeptisch.

22.06.2021

Von AXEL HABERMEHL

Blick in ein Klassenzimmer in Hemmingen (Kreis Ludwigsburg): Am Platz müssen die Schüler derzeit in aller Regel keine Maske mehr tragen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Blick in ein Klassenzimmer in Hemmingen (Kreis Ludwigsburg): Am Platz müssen die Schüler derzeit in aller Regel keine Maske mehr tragen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Die am Montag in Kraft getretene Lockerung der Maskenpflichten an Schulen hat bei Schülern, Lehrkräften und Eltern ein geteiltes Echo hervorgerufen. „Wir finden die Lockerungen gut“, sagt Elisabeth Schilli, Sprecherin des Landes-Schülerbeirats. Bei der aktuellen Hitze sei es sehr unangenehm, lange Zeit mit Mund-Nasen-Schutz in engen Klassenzimmern zu sitzen. Man könne sich schwerer konzentrieren. „Besonders für Grundschüler war das eine Belastung“, sagt Schilli. Jedoch sehe der Schülerbeirat die Gefahr einer Ausbreitung der ansteckenderen „Delta-Variante“. Daher regte Schilli an, Abstandsregeln im Unterricht wieder in Kraft zu setzen, und erneuerte die Forderung, in Klassenzimmern Luftreinigungsanlagen einzusetzen.

Auch Michael Mittelstaedt, Vorsitzender des Landeselternbeirats, hält die Lockerungen für angemessen. Da nahezu alle Risikopatienten, die sich darum bemüht haben, geimpft seien, müsse das vorrangige Ziel sein, Präsenzunterricht zu ermöglichen.

Die neuen Masken-Regelungen finde er trotzdem „unsinnig“, da Besonderheiten von Schulen nicht beachtet würden. Wenn vor Ort die Trennung von Schülern gut funktioniere, etwa in großen Schulzentren mit mehreren Gebäuden, sollten diese eigene Regelungen treffen dürfen, findet Mittelstaedt. Auch halte er bei einzelnen Corona-Fällen an Schulen umfangreiche Testungen für sinnvoller, als die Maskenpflicht im Unterricht wieder in Kraft zu setzen.

Auch Edgar Bohn, Landesvorsitzender des Grundschulverbands, begrüßte die Änderung der Maskenpflicht. Da es weiter nötig sei, zwei negative Tests pro Woche vorzuweisen, um am Präsenzunterricht teilnehmen zu dürfen, halte er die Lockerungen für richtig. Jedoch forderte auch Bohn die Anschaffung von Luftreinigungsanlagen.

Skeptisch reagierten dagegen Lehrerverbände. Der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand erklärte, die sinkenden Corona-Fallzahlen seien Resultat konsequenter Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen. „Wir warnen davor, die in der Bekämpfung der Pandemie erreichten Erfolge durch politisch willfähriges Handeln zu gefährden“, betonte er mit Blick auf die Ausbreitung der Delta-Variante.

Ralf Scholl, Landesvorsitzender des Philologenverbands, teilte auf Anfrage mit, er sei sich zwar sicher, dass ein Großteil der Lehrkräfte und Schüler den Wegfall der Maskenpflicht begrüße, er warnte aber vor verfrühter Freude: Entwicklungen wie derzeit in Großbritannien oder Lissabon zeigten, „wie schnell der bisherige, stetige Rückgang der Infektionen durch die Delta-Variante wieder umschlagen kann“. Schüler seien nur selten geimpft.

„Kinder und Jugendliche sind und bleiben die Letzten, die ohne jeglichen Schutz (ohne Masken, ohne Plexiglaswände und ohne Raumluftfilter) in teilweise schlecht belüftbaren Räumen mehrere Stunden lang gemeinsam auf engstem Raum ohne Abstand aufeinander hocken müssen“, warnte er. Zwar sei das Tragen von Masken unangenehm, „aber wenn der Politik sämtliche anderen Schutzmaßnahmen an den Schulen, vor allem die Raumluftfilter, zu teuer sind, ist das Maskentragen die einzig verbleibende nachweislich wirksame Schutzmaßnahme“.

Auch Monika Stein, Landeschefin der Bildungsgewerkschaft GEW, sieht die Masken-Entscheidung der Landesregierung kritisch. „Natürlich stört alle die Maske, gerade in den warmen Klassenzimmern. Gleichzeitig müssen wir nur noch fünf Wochen durchhalten bis zu den Sommerferien“, fordert Stein. „Lieber unter der Maske schwitzen als das Risiko eingehen, dass Kinder und Jugendliche oder ihre Eltern angesteckt werden. Jede Person, die jetzt infiziert wird, ist eine zu viel.“