Franz Beckenbauer, der Vater der WM 2006, kommt immer mehr in Bedrängnis

Zweifel an der "Lichtgestalt"

Es gab Zeiten, da wurde alles, was Franz Beckenbauer anfasste, ein Erfolg. Jetzt gerät der Kaiser, der die WM 2006 nach Deutschland holte, immer mehr in Bedrängnis. Seine Reaktion? Er schweigt.

05.03.2016

Von DPA/SID

Das Lachen ist dem Macher der Fußball-WM 2006, Franz Beckenbauer, längst vergangen. Foto: afp

Das Lachen ist dem Macher der Fußball-WM 2006, Franz Beckenbauer, längst vergangen. Foto: afp

Frankfurt. Auf dem Fußballplatz hätte Franz Beckenbauer sich den Ball geschnappt, den Gegner mit hocherhobenem Kopf ins Leere laufen lassen und mit einem klugen Pass einen eigenen Angriff eingeleitet. Seine genialen Instinkte, die ihn nach dem Profileben auch noch erfolgreich durch seine Karriere als Teamchef, Funktionär und Geschäftsmann führten, nutzen dem Kaiser derzeit nichts mehr.

Beckenbauer schwieg am Freitag zunächst erstmal wieder. So wie er es getan hatte, als nach und nach seine Verwicklungen in zweifelhafte Praktiken der von ihm geführten deutschen WM-Organisatoren publik wurden. Und wie er es auch meist getan hatte, als seine Rolle als Fifa-Wahlmann der WM-Turniere 2018 und 2022 ins Zwielicht geriet.

Erst nach einer Schonfrist meldete sich der 70-Jährige immer zu Wort und wies alle Vorwürfe in seiner bayerisch-nonchalanten Art zurück. Ein solches Statement steht nach dem Freshfields-Bericht noch aus.

In dem war gestern von einem Oder-Konto die Rede, das auf die Namen Beckenbauer und Robert Schwan, seinem Ex-Manager, lautete. Von dort flossen im Sommer 2002 in vier Tranchen sechs Millionen Schweizer Franken auf das Konto einer Schweizer Anwaltskanzlei. Die wiederum leitete das Geld nach Katar an eine Firma weiter, die offenkundig Mohamed Bin Hammam gehört - damals Mitglied der Fifa-Exekutive und -Finanzkommission. Schließlich überwies der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus zehn Millionen Franken auf das Schweizer Konto. Mit sechs Millionen wurde Beckenbauer "ausgelöst", vier Millionen gingen erneut nach Katar.

Bleibt die Frage: Wofür das Ganze, wenn nicht zum Zwecke der (nachträglich eingelösten) Bestechung? Laut Bericht gibt es für die Vorgänge keine "plausible Erklärung". Ob das Geld nur der Sicherung des Fifa-WM-Zuschusses diente, wie von Beckenbauer und seinen WM-Mitstreitern behauptet, oder ein "weiterer, dahinterliegender Zweck" verfolgt wurde - offen. 2005 zahlte der DFB das Geld an Dreyfus zurück, ganz bewusst verschleiert.

"Nach dem Ergebnis unserer Untersuchung steht fest, dass die Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2005 vom WM-Organisationskomitee bewusst falsch deklariert worden ist. Sie war als Betrag für die Fifa-Eröffnungsgala ausgewiesen, aber für Dreyfus gedacht", teilten die Ermittler mit. Wer von den damals Beteiligten wann Kenntnis von dem Betrug gehabt habe, sei "strittig".

Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger schließt eine Täuschung durch Beckenbauer nicht aus. Nach seinem damaligen Kenntnisstand sei die Zahlung 2005 die Ablösung einer Provision gewesen: "Wenn sich jetzt herausstellt, dass es keine Provision ist, hat Franz Beckenbauer uns getäuscht."

Krumme Deals, Hinterzimmer-Geschäfte - nein, nicht mit ihm, so lautete Beckenbauers Standardphrase. Und: All das Gerede über Korruption und Bestechung habe ihn vor Jahren nicht interessiert, und heute sowieso nicht. Blanko-Unterschriften im Dutzend habe er ausgestellt. Wenn er alle Papier gelesen hätte, wäre er heute noch beschäftigt, meinte der Kaiser.

Der Freshfields-Bericht hat neue Fragen aufgeworfen zur Rolle Beckenbauers im Sommermärchen-Skandal. Die Wirtschaftsexperten können sie nicht beantworten.

Die Vorwürfe werden Beckenbauer juristisch wohl nicht in Bedrängnis bringen können, doch sie kratzen erheblich am Image der Lichtgestalt. Beckenbauer war Akteur im über Jahrzehnte kultivierten Sumpf der Fußball-Funktionärswelt - nicht einmal er konnte ihn Kraft seines Namens umdribbeln. Der Preis für die WM-Gastgeberrolle 2006 war hoch, doch Beckenbauer zahlte ihn offenbar ohne größere moralische Skrupel.

Auch seine Rolle als Fifa-Funktionär passt in dieses Schema. Die Fifa-Ethikhüter verurteilten ihn kürzlich zu einer Zahlung von 7000 Schweizer Franken, weil er bei den Ermittlungen zur WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 zunächst nicht den Regeln entsprechend kooperierte - und erst nach einer Extra-Aufforderung sprach.

Beckenbauers Entschuldigung, als die Ermittlungen gegen ihn bekannt wurden und eine provisorische Sperre mitten im WM-Sommer 2014 einbrachten, klingt kurios. Er habe die Fragen nicht verstanden, da sie auf Englisch formuliert waren. Der polyglotte Supermann, der bei Cosmos New York ein Leben als bajuwarischer Boheme führte, versteht kein Englisch? Kaum glaubhaft, urteilte die Weltpresse, kaum möglich, sagten die Fifa-Ethikhüter. Nun gibt es viele neue Fragen an die Lichtgestalt.