Hansjörg Lösel über Basketball-Perspektiven

Zurück zum Tübinger Weg: Tigers müssen sich neu erfinden

Rien ne va plus, nichts geht mehr – aber im Grunde war es für die Tübinger Basketball-Fans beinahe eine Erlösung, als der Bundesliga-Abstieg der Walter Tigers nach der Niederlage gegen Jena am vergangenen Samstag auch rechnerisch besiegelt war.

14.04.2018

Von hdl

Der ständige Abwehrkampf, seit nunmehr vier Jahren hangeln sich die Tübinger immer hart am Rande der Abstiegsplätze durch den Keller der Liga, blieb nicht ohne Abnutzungserscheinungen. Mal ehrlich: Sponsoren und Fans für eine neuerliche Saison Erstliga-Abstiegskampf mit wieder mal deutlich mehr als 20 Niederlagen zu motivieren, wäre sicher nicht einfacher geworden als die nun bevorstehende Aufgabe, den Wiederaufstieg anzugehen.

Nein, die 2. Liga ist keine Katastrophe. Im Gegenteil: Das Niveau verbessert sich seit Jahren stetig, das bekommen unter anderem die Kölner Rheinstars oder die Hamburger Towers zu spüren – beide Großstadtprojekte haben auch in dieser Saison den Aufstieg verpasst. Das sollte jedem zur Warnung dienen, der glaubt, die Tigers könnten mit einem Zwei-Millionen-Etat mal eben im Vorbeigehen locker die Pro A aufmischen. Die 2. Liga ist unberechenbar: Denn nach der Normalrunde ermitteln die besten acht Teams in den Playoffs die beiden Aufsteiger, da kann die Arbeit eines ganzen Jahres in einer Best-of-Three-Serie auf dem Spiel stehen.

Wichtiger noch als kurzfristiger sportlicher Erfolg: Die Tübinger müssen wieder eine eigene Identität entwickeln. Auch hier könnte die Zweitklassigkeit sogar ein Vorteil werden. Denn in der Pro A lassen sich Talente aus der eigenen Jugend wie Nemanja Nadjfeji oder Matti Sorgius besser einbauen als im Oberhaus. Nur fünf Ausländer dürfen in der 2. Liga geholt werden, zwei deutsche Spieler müssen immer auf dem Parkett stehen. Das schafft ganz neue Perspektiven. Den Vorwurf der Söldnertruppe mit jährlich nahezu komplett wechselndem Personal in kurzen Hosen mussten sich die Tigers immer wieder anhören. Zeit für einen Gegenentwurf: Warum schlagen die Basketballer nicht konsequent den Tübinger Weg ein? Mit Aleksandar Nadjfeji als Cheftrainer, mit Talenten aus der eigenen Nachwuchs-Schmiede – und natürlich einigen Importspielern, ohne die es nun mal nicht geht. Tübingen sollte aber wieder auf junge, hungrige Jungs vom College setzen, der Versuch mit Routiniers in dieser Saison ging ja gründlich daneben.

Klar ist: Robert Wintermantel muss jetzt liefern. So viele personelle Missgriffe wie in dieser Runde sind dem Manager in zehn Jahren nicht unterlaufen. Und für die Fehleinkäufe war eben nicht nur der mittlerweile geschasste Trainer Tyron McCoy verantwortlich. Auch die Nachverpflichtungen, mit denen die Tigers wie bei Daequan Cook das Ruder sonst noch herum gerissen haben, schlugen diesmal nicht ein. Doch nicht nur die US-Profis haben enttäuscht, auch der als künftiger Nationalspieler gehandelte Mathis Mönninghoff oder der überforderte Center Phillipp Heyden blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Zu den positiven Erscheinungen der Saison zählt Reggie Upshaw, auch wenn der Profi-Neuling in der Verteidigung noch viel lernen muss. Mit seiner Unbekümmertheit sammelte der Regionalliga-Spieler Jacob Mampuya in der Endphase der Saison Pluspunkte. Und aus Robert Zinn wird zwar kein Zauberer mehr, mit solider Arbeit sorgt der gebürtige Tübinger aber für Identifikation.

Letztlich einerlei, in welcher Klasse die Basketballer spielen: Wenn die Mannschaft gute Unterhaltung am Samstagabend bietet, kommen die Leute auch in die Arena, bleiben die Sponsoren dabei. Das Produkt muss stimmen, heißt es in der Werbung, und um in der PR-Branche zu bleiben: Das Storytelling der Walter Tigers sollte in der 2. Liga wieder mehr bieten als Durchhalteparolen unter dem Hashtag #tigerliebe. Wenn sich Siege nicht nur alle halbe Jahre, sondern wieder verlässlich einstellen, lässt sich womöglich sogar eine Aufbruchsstimmung erzeugen. Die brauchen die Tübinger Basketballer auch dringend, wenn sie irgendwann den Stein zum Neubau einer Multifunktions-Arena für 5000 Zuschauer ins Rollen bringen wollen. Die wird mittelfristig in der 1. Liga Auflage für alle Vereine, ist mit einer derart desaströsen Tigers-Bilanz wie in der laufenden Saison aber natürlich nicht vermittelbar. Mit der Euphorie eines Aufstiegs sähe alles schon wieder ganz anders aus.

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Erstellt:
14.04.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 56sec
zuletzt aktualisiert: 14.04.2018, 01:00 Uhr

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