Reutlingen

Zufußgehen als Mission

Der oberste Fußgänger im Land fordert mehr Einsatz für die klimafreundliche Fortbewegungsweise.

05.08.2019

Von Christopher Hirsch / LSW

Ingo Rohlfs ist Landessprecher des Fachverbands „FUSS“. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Ingo Rohlfs ist Landessprecher des Fachverbands „FUSS“. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Reutlingen. Wenn Ingo Rohlfs von Reutlingen nach Tübingen zur Arbeit pendelt, kann das schon mal dreieinhalb Stunden dauern. Nicht weil er im Stau steckt, sondern, weil er 18 Kilometer zu Fuß geht. Etwa einmal im Monat geht der 51-Jährige zur Arbeit und nimmt nicht – wie sonst – das Fahrrad. Er wählt dabei nicht den kürzesten, sondern einen schönen Weg durch Streuobstwiesen und den Wald. Zurück fährt er dann in der Regel mit dem Zug, weil sonst keine Zeit zum Arbeiten bliebe. Zufußgehen ist für Rohlfs nicht nur Erholung. Für den Landessprecher des Fachverbands Fußverkehr (FUSS) ist es ein politisches Thema.

Das wird auf seinem Weg zur Arbeit deutlich. „Hier sollen in Zukunft die Busse fahren“, sagt er und zeigt auf eine umgebaute Straße in der Innenstadt. Dabei gingen Autofahrer, die auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen, eher zu Fuß, als dass sie den ÖPNV nutzten. Studien zeigten, dass dieser erst auf Rang drei käme – nach dem Fahrrad, sagt Rohlfs. Hier mache man es genau umgekehrt. „Man nimmt das, was von den Leuten freiwillig am wenigsten gewählt wird, und steckt da ganz viel Geld rein.“

„Zu Fuß gehen ist zu normal, als dass man dem einen Wert gibt“, sagte Rohlfs Anfang Juli bei einem Fachgespräch mit Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Angesichts von Klimakrise, Feinstaubbelastung und Platzmangel in den Städten könnte sich daran etwas ändern. Der Verkehrsminister will, dass 30 Prozent aller Wege 2030 im Land zu Fuß zurückgelegt werden. 2017 lag der Anteil bei 21 Prozent.

Dabei sieht Rohlfs ein zentrales Problem: „Die Verwaltungen vor Ort sind überfordert.“ Fußverkehr sei schwieriger zu planen, als eine Autostraße. Er empfiehlt dem Land die Einrichtung einer Expertengruppe zur Unterstützung der Kommunen.

Bis vor ein paar Jahren habe er nicht an eine Lösung des Klimaproblems geglaubt, sagt Rohlfs. Mittlerweile sei er optimistischer. Auch dank Fridays-for-Future. Für ihn ist das Thema Verkehr aber nicht nur eine Frage des Klimas. Luftschadstoffe, Lärm, Bewegungsmangel – all das könne man auf einmal angehen. Wie? Zu Fuß.