Verkehr

Zu wenige Ladesäulen, keine eigene Garage: Wohin mit dem E-Auto?

Stromtankstelle verzweifelt gesucht: Einfach ein Kabel über den Gehweg legen ist strengstens verboten. Wie kann man sein E-Auto ohne eigene Garage laden?

26.10.2021

Von David Nau

Könnte ein Teil der Lösung des Ladeproblems sein: ein Schnellladepark für E-Autos in Karlsruhe. Foto: Uli Deck/dpa

Könnte ein Teil der Lösung des Ladeproblems sein: ein Schnellladepark für E-Autos in Karlsruhe. Foto: Uli Deck/dpa

Stuttgart. Es ist ein ganz normales oranges Kabel, an dem sich in Stuttgart jüngst eine Debatte entzündete, die ein Dilemma der Mobilitätswende aufzeigt. Immer mehr Menschen kaufen sich, auch von der Politik unterstützt, ein Elektroauto – und müssen dieses dann aber auch regelmäßig aufladen. Und was tut man, wenn man keinen eigenen Stellplatz hat und die Ladesäulen in der näheren Umgebung ständig belegt oder gar nicht erst existent sind? Ein Mann im Stuttgarter Westen legte daraufhin kurzerhand das Ladekabel seines Hybrid-Fahrzeugs über den Gehweg hinweg zu seinem am Straßenrand parkenden Auto – und bekam just Post vom Ordnungsamt, das diese „Sondernutzung“ des öffentlichen Gehwegs rügte und ein Bußgeld verhängte, wie die Stuttgarter Zeitung berichtete.

Das Thema der „wilden“ Lader ist nicht nur in der Landeshauptstadt präsent, auch in fast allen anderen größeren Städten im Land, ist das Problem bekannt. In Freiburg sind der Stadtverwaltung einem Sprecher zufolge bislang fünf solcher Fälle bekannt, in allen seien die Verantwortlichen aufgefordert worden, die Kabel zu entfernen. „Da der Aufforderung jeweils Folge geleistet wurde, sind bisher keine Bußgeldverfahren eingeleitet worden“, teilt die Stadt mit. In Heilbronn spricht man von „wenigen Fällen“, in Mannheim von „vereinzelten Beschwerden“. In Tübingen in Karlsruhe gab es laut Sprechern der Stadtverwaltung noch keine entsprechenden Fälle. Die rechtlichen Rahmenbedingungen in dieser Frage seien klar, erklärt Susanne Nusser, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin beim Städtetag Baden-Württemberg. „Das Verlegen eines Kabels über den Gehweg hinweg ist immer eine Sondernutzung und diese Sondernutzung bedarf einer Genehmigung.“ Theoretisch könnten die zuständigen Stadtverwaltungen eine solche Sondernutzungserlaubnis aussprechen, sagt Nusser. „Die Behörde muss aber alle Belange ins Ermessen nehmen und zum Beispiel prüfen, ob ein solchen Kabel eine Gefahrenquelle, etwa für Blinde, darstellt.“ Zudem müssten sich die Verwaltungen überlegen, ob sie mit einer solchen Genehmigung einen Präzedenzfall schaffen würden – also auch ähnliche Anfragen künftig genehmigen müssten.

Das Problem fehlender Lademöglichkeiten zuhause kennt auch Jana Höffner. Die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Electrify-BW, der sich der Förderung der Elektromobilität verschrieben hat, besitzt selbst zwei Elektroautos – und kann keines davon zuhause laden. Ein Problem ist das für die Stuttgarterin nicht. „Ich lade mein Auto am Arbeitsplatz oder an öffentlichen Ladesäulen, die es inzwischen auch bei vielen Supermärkten gibt.“ Das bedeutet für die E-Auto-Fahrerin eine gute Planung und auch eine Portion Überzeugung. „Bei Laternenparkern ist die Elektromobilität eher noch etwas für Enthusiasten, die bereit sind, die Extrameile zu gehen“, sagt Höffner.

Nicht im öffentlichen Raum

„Wir werden nie an den Punkt kommen, dass es im öffentlichen Raum ausreichend Ladeinfrastruktur gibt“, sagt Susanne Nusser vom Städtetag. Das sei auch nicht sinnvoll, denn die meisten Fahrzeuge stünden den größten Teil des Tages gar nicht im öffentlichen Raum, sondern beim Arbeitgeber oder zuhause. Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur sieht die Verkehrsdezernentin nicht primär die Kommunen in der Verantwortung: „Städte sind ja auch keine Tankstellenbetreiber.“ Städte und Gemeinden müssten sich vielmehr Gedanken über eine sinnvolle Bedarfsplanung machen.

Man sehe den Ausbau der Ladeinfrastruktur „in erster Linie als Aufgabe, die durch Akteure der Energie- und Mobilitätswirtschaft zu erfüllen ist“, heißt es etwa bei der Stadt Mannheim. Eigene Ladeinfrastruktur errichte man nicht. In Tübingen und Heilbronn bieten die Stadtwerke eigene Ladeinfrastruktur an. In Karlsruhe will man vor allem auf sogenannte Schnellladehubs setzen, an denen Autofahrer ihr Fahrzeug wie an einer Tankstelle innerhalb kürzester Zeit aufladen können, teilt ein Sprecher mit.

Solche Schnellladeparks könnten auch nach Jana Höffners Erfahrung eine Lösung darstellen. Ihr eigenes Elektroauto lässt sich bei ausreichender Leistung der Ladestation innerhalb von fünf Minuten so aufladen, dass mindestens wieder 100 Kilometer gefahren werden kann. Für Autofahrerinnen und Autofahrer bedeute dies auch keine große Umstellung: „Mit einem Verbrenner­-Auto muss man ja auch zur Tankstelle fahren.“

Zudem müsse ein modernes Elektroauto, sofern es nicht täglich für weite Strecken genutzt wird, auch nicht täglich zurück an die Steckdose – und damit bei jenen, die keinen eigenen Stellplatz haben, das Kabel auch nicht über den Gehweg gelegt werden.

Tausende Landepunkte

In Baden-Württemberg gibt es nach Angaben des Landesverkehrsministeriums (Stand März 2021) insgesamt 7064 öffentlich zugängliche Ladepunkte für Elektrofahrzeuge. Die meisten Ladesäulen (661) stehen im Stadtkreis Stuttgart, gefolgt vom Landkreis Esslingen (420), Landkreis Ludwigsburg (346) und Lankreis Karlsruhe (335).

Laut Ministerium steht seit Ende 2019 ein Grundnetz zur Verfügung, das im Umkreis von zehn Kilometern mindestens eine Ladesäule mit 22 Kilowatt Leistung und im Umkreis von 20 Kilometern mindestens eine Schnellladesäule mit mindestens 50 Kilowatt Leistung garantiert.

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Erstellt:
26.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 21sec
zuletzt aktualisiert: 26.10.2021, 06:00 Uhr

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