Nur noch dritte Kraft: Sebastian Vettel muss erkennen, dass er bei Ferrari vor einer Geduldsprobe steht

Zeitenjäger im Dauerfrust

Sebastian Vettel und sein Ferrari-Team bekamen beim Deutschland-Grand-Prix eine richtige Watsch'n verpasst. Mehr als Platz fünf war nicht drin.

01.08.2016

Von THOMAS GRUBER

Die lausbübische Leichtigkeit ist verflogen: Sebastian Vettel fährt mit Ferrari hinterher. Foto: dpa

Die lausbübische Leichtigkeit ist verflogen: Sebastian Vettel fährt mit Ferrari hinterher. Foto: dpa

Hockenheim. Geduld und Formel 1 – das harmoniert in etwa derart wie Blitz-Eis und Sonnenglut. Oder Volksmusik und Heavy Metal. „Geduld“, sagt Sebastian Vettel, „ist eigentlich keine gute Eigenschaft für einen Rennfahrer.“ Aber genau das sei es, was sein kriselndes Ferrari-Team im Moment benötige. Ausgerechnet Vettel mahnt also Geduld an, der Vierfach-Champion, der von sich behauptet, selbst an der Kasse eines Supermarktes jedes Mal einen internen Wettbewerb zu veranstalten, welche Schlange wohl schneller abgefertigt wird.

Geduld und Ferrari – das harmoniert noch weniger als die eingangs geschilderten Opponenten. In diesem hochgezüchteten Hightech-Motorsport, wo es um Tausendstelsekunden geht, da darf der stolze italienische Rennstall keinerlei Zeit verlieren. Und dennoch sieht es nach einem komplett verlorenen Jahr aus, obgleich erst die Hälfte absolviert ist. Gestern wurde beim Großen Preis von Deutschland deutlich, dass Ferrari den Abstand zum Branchenführer Mercedes nicht verkürzen konnte, sondern sogar erbärmlich hinter Red Bull nur noch dritte Kraft ist.

Eine Woche zuvor, beim Großen Preis von Ungarn in Budapest, da war Ferrari-Teammanager Maurizio Arrivabene gefragt worden, ob es stimme, dass Technikchef James Allison gehen müsse. „Mit solchen Geschichten versucht man nur, von außen Unruhe ins Team zu bringen“, so der 59-Jährige recht kratzbürstig. Keine vier Tage später wurde die Trennung vom Briten bekanntgegeben.

Allison galt als Leistungsträger bei der Scuderia. Im Frühjahr verstarb die Ehefrau des 48-Jährigen nach schwerer Krankheit. Nun wollte der Vater mehr Zeit mit seinen beiden Kindern verbringen, diese Geduld konnte oder wollte Ferrari nicht aufbringen. So wurde mitten in der Saison der Technikchef gewechselt. Allisons Nachfolger ist der Italiener Mattia Binotto. Diese Unruhe kommt zur Unzeit. Vettel meinte gestern nach seinem schwachen fünften Platz: „Es ist sehr enttäuschend, zu Hause nicht aufs Podium zu fahren.“ Die lausbübische Leichtigkeit, sein Markenzeichen über erfolgreiche Jahre hinweg, ist verflogen.