Tübingen · Weihnachtsspendenaktion

Zeit für ein neues Paradies

Von der Idee bis zur Umsetzung ist es bisweilen ein mühseliger Weg. Jetzt geht es auf den Endspurt bei der neuen VSP-Gärtnerei.

27.01.2022

Von Lisa Maria Sporrer

Ein Bauwagen und eine Feuerschale sind die einzige Möglichkeit für die Mitarbeiter und Klienten, sich im Winter aufzuwärmen. Bild: Kerstin Weiß

Ein Bauwagen und eine Feuerschale sind die einzige Möglichkeit für die Mitarbeiter und Klienten, sich im Winter aufzuwärmen. Bild: Kerstin Weiß

Die Nachricht war für alle ein Schock: Ende 2016 rief Baubürgermeister Cord Soehlke die Geschäftsführerin des Vereins für Sozialpsychiatrie (VSP), Barbara Wolf, an und erzählte ihr von den Renaturierungsplänen des Neckars in Tübingen. Die kleine Gärtnerei hinter den Tennisplätzen entlang der Gartenstraße muss weichen, so das Resultat des Telefonats – damit hatte beim VSP keiner gerechnet. „Wir haben doch in den vergangen Jahren viel Mühe und Liebe in diesen Ort gesteckt, um ihn in ein kleines Paradies zu verwandeln“, sagt Kerstin Weiß, die beim VSP mittlerweile für die Angebote der Tagesstruktur zuständig ist.

Sechs Jahre ist seit dem Anruf vergangenen, das neue Grundstück gibt es mittlerweile. Im Ammertal. Schon im vergangenen Jahr wuchsen dort Blumen und Gemüse, schützende Hecken wurden gepflanzt, ein Folientunnel aufgebaut. Der Weg dahin sei aber lang und anstrengend gewesen, schildern die Verantwortlichen beim VSP. „Lange war unklar, wann wir das Gelände räumen müssen. Zunächst suchten wir selber nach einer Ersatzfläche. Uns unterstützten dabei eine Stadträtin und Kunden, die ebenfalls nach einem neuen Gelände für uns Ausschau hielten. Leider alles vergeblich. Auf unsere Bitte hin suchte die Stadt ebenfalls nach Möglichkeiten“, sagt Weiß.

Bis das Grundstück aber gefunden war und der Umzug umgesetzt werden konnte, verging sehr viel Zeit. Dies sei eine herausfordernde Zwischenzeit gewesen, so Weiß: „Am alten Standort war sozusagen die Luft raus, und um am neuen Standort zu starten, waren viele Voraussetzungen noch nicht gegeben. Viele Hürden stellten sich uns in den Weg.“ Zum Beispiel die Fragen, ob die notwendigen Voraussetzungen für den neuen Standort im Ammertal rechtzeitig oder überhaupt genehmigt werden und wie das ganze Vorhaben finanziert werden kann.

Weil der neue Standort im Ammertal aber auch diverse Vorteile bot – größere Fläche bedeutete auch, dass der VSP noch mehr Menschen die Möglichkeit bieten konnte, dort mitzuarbeiten –, kam bei den Planungen letztlich auch eine gewisse Vorfreude auf. Auch neue Ideen schienen möglich zu werden: Der Anbau von Teekräutern, Kursangebote, Kooperationen mit Institutionen des angrenzenden Stadtteils.

Für all diese Ideen braucht es aber dringend ein Gebäude, für Klienten und Mitarbeiter, zum Arbeiten bei Kälte und Nässe, zum Lagern des Gemüses. „Die Kunst war und ist es noch immer, sich von der begrenzenden Realität nicht entmutigen zu lassen“, so Weiß. Begrenzende Realität – das bedeutet überwiegend: knappe finanzielle Ressourcen. Deshalb ist die Gärtnerei auf die Spenden der TAGBLATT-Lerserinnen und Leser angewiesen.

Aber für was genau soll gespendet werden? Wieso ist ein Gebäude, das als kleine Scheune angedacht war, so teuer? Schon 2019, vor dem Umzug, stellte der VSP die Bauvoranfrage. Nach langer und intensiver Planung und vielen Verhandlungen mit diversen Verhandlungspartnern wurde der Pachtvertrag für das neue Grundstück im Ammertal unterschrieben. Ende Dezember 2020 wurde das Baugesuch gestellt – eine Herausforderung, denn das Gebäude sollte sich in die Landschaft einfügen, die Arbeitsstättenverordnung und der Brandschutz mussten beachtet werden, und die Vorgaben des barrierefreien und hochwasserangepassten Bauens (Überschwemmungsgebiet) mussten erfüllt werden.

„Nachdem alle Kostenvoranschläge vorlagen, traf uns fast der Schlag“, sagt Weiß. Denn die lagen deutlich über den finanziellen Möglichkeiten des VSP. „Kurz haben wir überlegt, ob wir uns einen neuen Standort suchen sollten.“ Doch das Projekt war so weit fortschritten, und die Neckar-Gärtnerei musste bald geräumt sein. Stiftungsgelder wurden beantragt, verschiedenste Institutionen wegen Zuschüssen angeschrieben. Aktion Mensch würde bezuschussen, vorausgesetzt, eine inklusive, innovative Projektidee mit positivem Businessplan liege vor.

Ein Wirtschaftsberater und ein Branchenberater erarbeiteten mit dem VSP innerhalb weniger Monate eine tragfähige Konzeption. Verschiedenste Vermarktungswege (Supermarkt, Marktstand, Verkaufsstand vor Ort, Gemüsekiste) wurden überlegt. Letztlich entschied sich der VSP für die Vermarktung über eine Solidarische Landwirtschaft (Solawi) und einen kleinen Verkauf vor Ort.

Die Menschen, die dort durch die Arbeit wieder eine Tagesstruktur für ihren Alltag finden, die Gärtnerinnen, die Ehrenamtlichen – alle sind begeistert von der Arbeit dort, von dem Konzept und mittlerweile auch vom Standort. Dabei ist es noch lange nicht so, wie es werden soll. Der Folientunnel und mittlerweile ein kleiner Bauwagen sind die einzigen Möglichkeiten, etwas Wärme zu bekommen und ein Dach über den Kopf zu haben. Aber es gab noch mehr Hürden zu überwinden als allein die Sorge, ob das Haus auf dem Grundstück finanzierbar sei.

Die 320 Meter lange Strom- und Wasserleitung von der Sindelfinger Straße zum Gelände sei unerlässlich. Es sollen zukünftig dort 21 Personen einen Arbeitsplatz finden, die von 5 Personen angeleitet und betreut werden. Die Wasserleitung wird für die sanitäre Anlage (Toilette), für die Teeküche und fürs Gießen des Gemüses gebraucht. Die Leitung wurde im Spülverfahren gebohrt, die Leitungen später durchgeblasen.

Eine Herausforderung war auch die Liste mit Beanstandungspunkten vom Baurechtsamt. Lange Zeit war unklar, ob das Grundstück aufgrund des geringen Gefälles überhaupt an den Abwasserkanal angeschlossen werden kann. Mit Hebebühne? Und dann: Druckleitung beziehungsweise Pumpen-Schlauch-System? Dann kam die Nachricht, dass doch an das Abwassersystem vor Ort angeschlossen werden kann.

Das Baugesuch liege nun seit Ende November 2021 beim Baurechtsamt. Beim VSP hoffen sie auf eine schnelle Baufreigabe. Zwischenzeitlich aber seien die Preise für den Bau explodiert. Die Handwerker haben lange Vorlaufzeiten, das Material lange Lieferzeiten. Aktuell liegt die Bausumme bei 453000 Euro. Bei zugesagten Fördergeldern von 220000 Euro muss der Verein nun noch 233000 Euro aufbringen.

„Gut wäre, wenn das Gebäude noch vor dem kommenden Winter steht. Denn der Winter ist wahrlich die größte Herausforderung für die dort arbeitenden Menschen“, sagt Weiß. Der Folientunnel als Arbeitsraum sei sehr kalt gewesen. Nur an einer Feuerschale konnte man sich in der Pause aufwärmen.

Aber immerhin hat die Gärtnerei nun eine Adresse: Ende Dezember 2021 hat das Vermessungsamt dem Grundstück eine Adresse gegeben: Sindelfinger Str. 50/10. Und wie geht es weiter? Die Anbauplanung ist für das Jahr 2022 gemacht, und Saatgut ist bestellt. Die ersten Mitglieder der Solawi haben sich auf die Interessenliste setzen lassen. „Jetzt hoffen wir auf eine schnelle Baufreigabe und Umsetzung der Baustelle und auf einen warmen und trocknen Ort im nächsten Winter!“, sagt Weiß.

Zeit für ein neues Paradies

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Erstellt:
27.01.2022, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 39sec
zuletzt aktualisiert: 27.01.2022, 01:00 Uhr

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