Biografie

Wieland Backes: Zeit für Bekenntnisse

Der einstige „Nachtcafé“-Moderator Wieland Backes legt seine Memoiren vor und thematisiert darin auch seine Parkinson-Erkrankung.

17.09.2021

Von Theo Westermann

Der Moderator Wieland Backes. Foto: Franziska Kraufmann/dpa

Der Moderator Wieland Backes. Foto: Franziska Kraufmann/dpa

Der Gang ist langsamer, die Stimme etwas leiser geworden. Doch Wieland Backes, jüngst 75 geworden, muss nur anfangen zu reden, dann gibt es den Aha-Effekt. Nach 706 Folgen „Nachtcafé“, ausgestrahlt von 1987 bis 2014, nach vielen weiteren Fernsehsendungen hat sich seine Stimme eingeprägt. Seine Parkinson-Krankheit, die er jetzt öffentlich gemacht hat und die er nun in seinen Memoiren „Ich war ein schüchternes Kind vom Lande“ thematisiert, fordert ihren Tribut.

Dass der Stuttgarter, der eines der populärsten Fernsehgesichter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Südwesten war, seine Erkrankung öffentlich gemacht hat, löste Reaktionen aus: „Viele Leute haben mir Mut gemacht“, erzählt Backes. Die Ärzte diagnostizierten 2013 die Krankheit, die sich bei ihm zunächst mit Kopfschmerzen bemerkbar machte. „Zum Glück wurde die Krankheit bei mir früh erkannt.“ Er habe sein Leben dennoch in großer Freude weitergeführt, trotz einer „ganzen Chemiefabrik“ zu Hause. Doch nun war für ihn der Zeitpunkt gekommen, öffentlich über die Krankheit zu reden. „Weil ich gelernt habe, mit ihr zu leben. Und weil die Anzeichen nun so deutlich sind.“

Der SDR als „Haifischbecken“

In seinen Memoiren ist Parkinson ein zwar bewegendes, aber kleines abschließendes Kapitel. Das restliche Buch hat es im besten Sinne ebenfalls in sich. Viele Leser werden sich wiederfinden in Backes? Familiengeschichte, andere bekommen einen launigen Blick hinter die Kulissen einer Erfolgsserie. Zudem gibt es eine scharfzüngige Abrechnung mit so manchem Hierarchen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, einem „Haifischbecken“, wie Backes den einstigen SDR (Süddeutschen Rundfunk) bezeichnet.

Rückblende: Als Wieland Backes 1948 als sechstes Kind einer Flüchtlingsfamilie aus dem Banat über Österreich zunächst in ein Dorf im Schwäbischen Wald kommt, sind die Verhältnisse ärmlich, die Einheimischen jubeln nicht über die Neuankömmlinge. „Da habe ich gelernt, ein Gefühl für Minderheiten und Außenseiter zu bekommen.“

Auch die Rolle als jüngster Sohn prägt. Er wächst in eine Art Moderatorenrolle hinein, vermittelt zwischen den Eltern, beide Lehrer, und den eigenwilligen Brüdern. Im Gymnasium entdeckt Backes seine Leidenschaft für das Medium Film, entscheidet sich zur Erleichterung seiner Eltern aber für ein Chemie- und Geografiestudium in Stuttgart.

Wieland Backes: Ich war ein schüchternes Kind vom Lande. Klett-Cotta, 256 Seiten, 20 Euro. Foto: Klett-Cotta

Wieland Backes: Ich war ein schüchternes Kind vom Lande. Klett-Cotta, 256 Seiten, 20 Euro. Foto: Klett-Cotta

Das Filmen lässt ihn aber nicht mehr los. „Ich habe mich aber nicht getraut, dieser Leidenschaft Raum zu geben.“ Die Weichenstellung kommt, als er seinem Doktorvater im Fach Geografie zur Doktorarbeit noch einen Film vorschlägt. Das Handwerkszeug dazu erlernt er bei einem Praktikum bei SDR, bei dem er bald anheuert. Im „Haifischbecken“ findet der junge Freigeist Backes neben so manchem argwöhnischen Kritiker Förderer, die sein Talent erkennen.

Backes klettert die Karriereleiter empor, er wird Redaktionsleiter der „Abendschau“, probiert weitere Fernsehformate aus. 1987 gründet er die Redaktion „Unterhaltende Information“ im SDR – im gleichen Jahr beginnt die Erfolgsgeschichte des „Nachtcafé“, ausgestrahlt aus dem Schloss Favorit in Ludwigsburg. Die Idee einer Talkshow war in ihm schon länger gereift, nachdem er das Format zunächst für einen „Schmarren“ gehalten hatte.

Doch er lässt sich inspirieren durch Vorbilder wie Dietmar Schönherr. „Da lässt sich ja was vermitteln“, schildert er sein Aha-Erlebnis. Und nicht minder wichtig, was das große Backes-Markenzeichen wird: „Da kommt man den Menschen nah.“

Die ersten Folgen setzen noch stark auf Prominenz, doch dann konzentrieren sich Backes und sein Team stark auf normale Menschen, ihre Glücks- wie Unglücksmomente. Backes? Moderation, eine vielbeschriebene Mischung aus „Vertrauenslehrer und Seelsorger“, findet eine stets wachsende Anhängerschaft.

Nach der Fusion von SDR und SWF zum SWR geht die Erfolgsgeschichte weiter. Gerade auch, weil das Konzept das Gegenteil ist von dem, worauf die Krawallschachteln im Talkshowformat setzen, die sich mit dem Privatfernsehen ausbreiten. „Ist das noch mein Fernsehen?“ heißt das Kapitel über die Veränderung in der Medienwelt in den Memoiren. Da ist Backes auch kein bisschen altersmilde, etwa wenn er sich um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sorgt. Und im Gespräch stellt er mit Bedauern fest, dass es leider „einen Gewöhnungseffekt an den Schrott gibt“.

Selbst zu Gast im „Nachtcafé“

Wieland Backes ist an diesem Freitag, 22 Uhr, selbst zu Gast in der Talksendung „Nachtcafé“ bei Michael Steinbrecher im SWR-Fernsehen. Am kommenden Sonntag stellt er dann zusammen mit Harald Schmidt um 11 Uhr im Literaturhaus Stuttgart seine Memoiren vor. - tw

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Erstellt:
17.09.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 09sec
zuletzt aktualisiert: 17.09.2021, 06:00 Uhr

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