Kunst

Zehn Jahre nach Urteil - Fälscher Beltracchi: Wir lachen noch viel

Vor zehn Jahren wurde Wolfgang Beltracchi verurteilt. Aus dem Knast ist er lange raus. Heute ist der „Fälscherfürst“ etwa mit fälschungssicheren NFT-Werken erfolgreich.

27.10.2021

Von dpa

Schweiz, Luzern: Der ehemalige Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi steht in seinem Atelier am Vierwaldstätter See vor unfertigen Teilen seines neuen Projekts zu „Salvator Mundi“. 2015 wurde der „Fälscherfürst“ aus der Haft entlassen. Bild: Sabine Dobel/dpa

Schweiz, Luzern: Der ehemalige Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi steht in seinem Atelier am Vierwaldstätter See vor unfertigen Teilen seines neuen Projekts zu „Salvator Mundi“. 2015 wurde der „Fälscherfürst“ aus der Haft entlassen. Bild: Sabine Dobel/dpa

Luzern. Noch 7,60 Euro hatten Wolfgang und Helene Beltracchi in der Tasche, als sie am 27. Oktober 2011 die Treppen des Kölner Landgerichts hinabgingen. Gerade hatte das Gericht den Kunstfälscher, der den Markt jahrzehntelang mit Fälschungen von Avantgarde-Künstlern wie Heinrich Campendonk, Max Ernst oder Max Pechstein überschwemmt hatte und damit Millionen kassierte, zu sechs Jahren Haft im offenen Vollzug verurteilt. „Wir hatten keine Wohnung, kein Telefon, kein Bankkonto, kein Auto mehr – und 20 Millionen Schulden“, erinnert sich Beltracchi.

„Lenken Sie Ihr Talent in legale Bahnen“, gab der Richter Beltracchi mit auf den Weg. Noch im Knast fing das Paar neu an. Zehn Jahre später leben sie in der Schweiz, haben ihre Schulden abbezahlt und verdienen mit eigenen Werken „annähernd so viel“ wie früher. „Jetzt kommt nämlich die Erfolgsstory“, sagt Beltracchi stolz. „Wir hatten schon nach den drei Jahren Gefängnis wieder einiges an Geld.“

Die Beltracchis zogen erst nach Montpellier. Heute arbeitet er im Schweizer Kanton Luzern in einem Jugendstil-Tanzsaal – mit grandiosem Blick auf den Vierwaldstätter See und die Schweizer Berge. Neuestes Projekt: Beltracchi interpretiert „Salvator Mundi“, das Leonardo da Vinci zugeschriebene und mit Echtheitszweifeln belegte Renaissance-Gemälde, das mit 450 Millionen Dollar einen Rekordpreis erzielte, im Stil von Van Gogh, Dalí oder Warhol. Und er arbeitet nun selbst fälschungssicher: Mit NFT-Werken (non-fungible token), per digitalem Zertifikat geschützt, baut er ein virtuelles Museum auf.

Der Ex-Hippie mit dem abgebrochenen Kunststudium verfügt über erhebliches Selbstbewusstsein. „Ich bin heute einer der teuersten Künstler in Europa“, sagt der 70-Jährige. „Meine Bilder sind teilweise sicherlich teurer als Baselitz. Der einzige, der mich in Deutschland noch schlägt, ist Gerhard Richter.“ Dessen Bilder kommen für Millionenbeträge unter den Hammer.

Der im nordrhein-westfälischen Höxter geborene Beltracchi, Sohn eines Kirchenmalers, teilt sein Werk in Bilder „aus dem alten Leben“ und „aus dem neuen Leben“ auf. Offiziell sind neue Werke im bayerischen Unterammergau zu sehen, in der Kunsthalle des Unternehmers Christian Zott, der Beltracchi Momente der Geschichte nach Art jeweils passender Künstler malen ließ. In Deutschland stellt Beltracchi sonst praktisch niemand aus. „Er kann nicht rehabilitiert werden. Denn er hat einen Großteil seiner Fälschungen nicht offengelegt“, sagt die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler, Birgit Maria Sturm. Beltracchi habe einen „unerhörten Betrug“ begangen. „Es gibt bis heute geschädigte Käufer – die nicht einmal davon wissen. Man weiß nicht einmal, wie viele Fälschungen es insgesamt überhaupt gab.“

Beltracchi gibt unumwunden zu: „Ich sehe ab und zu mal ein Bild von mir, auch im Museum.“ Er werde aber „niemals ein Bild outen“. „Warum sollte ich das tun? Die Bilder sind ja echt. Die haben alle ein Gutachten und sind in Werkverzeichnissen.“

Markus Eisenbeis, Inhaber des Kölner Auktionshauses Van Ham, glaubt nicht, dass sich noch viele Beltracchi-Fälschungen in Museen befinden. „Ich will nicht ausschließen, dass ein, zwei, drei Bilder von ihm irgendwo hängen. Aber das kann nicht viel sein.“ Er habe einige Fälschungen bei der Polizei gesehen: Die Bilder könnten nicht gegen echte Museumsbilder bestehen. Auch die Kunsthistorikerin Sturm befindet: „Er verdient den Namen Künstler nicht.“ Er sei ein „ziemlich guter Handwerker“, habe aber keinen eigenen Stil.

Beltracchi winkt ab. Ein eigener Stil bedeute nur, dass man sich ständig reproduziere. „Was ist denn daran kreativ, wenn man 50 Jahre Bilder auf den Kopf hängt oder Nägel im Kreis irgendwo reinkloppt oder monochrome Leinwände aufschlitzt?“, sagt er und meint bekannte Künstler wie Baselitz, Günther Uecker oder Lucio Fontana. „Diesen normalen, traditionellen, elitären Kunstmarkt brauche ich nicht.“

Beltracchi malt heute 15 bis 20 Bilder im Jahr, und die seien verkauft, „ehe ich die überhaupt gemalt habe“, sagt er. „Die gehen an meine Sammler.“ Dabei seien auch die Bilder „aus der alten Zeit“, also Fälschungen, gefragt. Er habe in vier Jahrzehnten ungefähr 120 verschiedene Maler aus vier Jahrhunderten gemalt, an die 300 Bilder.

Beltracchi schuf Werke, die als verschollen galten, malte sie auf alte Leinwände, fälschte Galerie-Aufkleber auf der Rückseite und versah die Werke mit der Herkunftslegende einer angeblichen Sammlung Jägers. Widersprüche fielen Fachleuten angeblich nicht auf. Der Markt saugte die Ware gierig auf.

2010 flog der Schwindel auf: In dem für 2,9 Millionen Euro versteigerten Gemälde „Rotes Bild mit Pferden“ wurde das Pigment Titanweiß nachgewiesen, das es zur Zeit der Entstehung des vermeintlichen Campendonks 1914 noch nicht gab. Jetzt will Beltracchi sein Leben verfilmen lassen – als Komödie.

Die Filmrechte sind verkauft

Der ehemalige Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi (70) lässt sein Leben verfilmen – als Komödie. „Wir haben unsere Filmrechte verkauft“, sagte Beltracchi. Viele Jahre habe er mit großen amerikanischen Firmen verhandelt. Den Zuschlag habe schließlich der deutsche Nachwuchsproduzent Mario Schühly gemeinsam mit seinem Vater Thomas Schühly erhalten.