Nachhaltigkeit

Zahnpasta in Pillenform

Unverpackt-Läden sprießen wie Pilze aus dem Boden. Seit 2018 hat sich ihre Zahl bundesweit nahezu verdoppelt. In Stuttgart gibt es jetzt die erste plastikfreie Drogerie.

03.12.2020

Von DOMINIQUE LEIBBRAND

Viele Produkte, die sonst eher flüssig sind, verkauft Hergen Blase in fester Form  das ist unverpackt praktischer. Foto: Ferdinando Iannone

Viele Produkte, die sonst eher flüssig sind, verkauft Hergen Blase in fester Form das ist unverpackt praktischer. Foto: Ferdinando Iannone

Stuttgart. Eigentlich hat Hergen Blases neuer Laden die perfekte Lage. In einer Seitenstraße, die vom Schlossplatz abzweigt – mitten in der Stuttgarter City also. Als der 51-Jährige Mitte Oktober eröffnete, lief das Geschäft denn auch gleich gut an. Bis zum Teil-Lockdown Anfang November. Seither sind seine Umsätze deutlich eingebrochen. Trotzdem ist Blase frohen Mutes, denn er weiß: Corona wird irgendwann vorbei sein, die Zeit für das Segment, in das er gestoßen ist, aber sei reif.

Blase setzt auf das Prinzip „Unverpackt“, er hat die erste plastik- und palmölfreie Drogerie im süddeutschen Raum eröffnet. Vom Puder bis zum Waschmittel bietet der Unternehmer in seinem Geschäft, das den Namen „Ohne PlaPla“ trägt, so gut wie alle Waren unverpackt beziehungsweise in umweltfreundlichen Behältnissen an. Wie in Unverpackt-Läden üblich können Kunden die losen Produkte in mitgebrachte Behältnisse füllen oder Mehrwegbehälter dafür kaufen.

Die Zahnpasta gibt's etwa in Tablettenform. Die kleinen Pillen werden zerkaut und dann mit der angefeuchteten Bürste im Mund aufgeschäumt. Auch Shampoos und Duschgels findet man in fester Form als Shampoo-Taler und Duschbrocken, außerdem Deocreme zum Abfüllen und sogenannte Waschblätter, die man mit in die Maschine gibt. Auch Zutaten für Putz- und Reinigungsmittel können sich die Kunden abfüllen, passend dazu kann man den 100 Prozent biologisch abbaubaren Öko-Schwamm kaufen.

Ein kleines Sortiment an Kosmetikartikeln wie Lippenstift, Puder und Rouge führt Blase ebenfalls, wobei das noch ausbaufähig sei, wie er sagt. In diesem Segment sei es noch schwieriger, plastik- und gleichzeitig palmölfreie Produkte zu finden. Eine Wimperntusche kann er deshalb beispielsweise noch nicht bieten.

Dass Unverpackt-Läden grundsätzlich funktionieren, weiß Blase bereits aus eigener Erfahrung. Seit eineinhalb Jahren führt er in Ludwigsburg ein solches Geschäft, das auf Verpackungen verzichtet. Schwerpunktmäßig gibt es dort Lebensmittel. In der Drogerie-Sparte sah der Unternehmer, der zuvor 18 Jahre bei der Supermarktkette Kaufland das Thema Nachhaltigkeit vorangetrieben hat, weiteres Potenzial und entschloss sich daher, den zweiten Laden zu eröffnen. „Hier gibt es das gebündelt, was sich die Kunden früher in einzelnen Läden zusammen suchen mussten.“

Mitten in der Krise ein Geschäft hochzuziehen – ein Risiko. Zumal das Thema Nachhaltigkeit in den vergangenen Monaten dem alles überschattenden Virus Platz machen musste. „Mit Blick auf den Verpackungsmüll werden jetzt ein, zwei Augen zugedrückt“, sagt Blase. Gleichzeitig habe er das Gefühl, dass bei vielen Leuten gerade in der Krise ein Umdenken stattgefunden habe.

Ein Trend, der vor Corona in vollem Gange war. Die durch die „Fridays for Future“-Bewegung entstandene Sensibilisierung für ökologische Themen habe der Unverpackt-Branche enormen Auftrieb gegeben, sagt Gregor Witt, Vorsitzender des Verbands der Unverpackt-Läden. Das Jahr 2019 sei das stärkste Jahr der noch jungen Branche gewesen, die ihren Anfang 2014 mit dem ersten Unverpackt-Laden in Kiel nahm. 2018, als der Verband gegründet wurde, habe es bundesweit 80 solcher Läden gegeben, jetzt seien es schon 318.

Eine Zahl, die sich demnächst nochmal fast verdoppeln könnte, denn 235 weitere Geschäfte sind laut Witt derzeit in Planung. 49 davon in Baden-Württemberg, wo es aktuell 41 Unverpackt-Läden gibt. Fundierte Umsatzzahlen kann Witt noch nicht vorlegen, dafür sei der Verband noch zu jung. Man arbeite daran und wolle bis Ende 2021 entsprechende Daten parat haben. Wie sich Corona auswirken wird, bleibt freilich abzuwarten.

Im „Ohne PlaPla“ mag die Kundenfrequenz zwar gesunken sein, dennoch geht alle paar Minuten die Türe auf. Für Blase eine schöne Bestätigung seiner Arbeit. „Ich sehe es als notwendig an, das Thema Nachhaltigkeit voranzutreiben.“ Ziel müsse sein, große Teile der Bevölkerung abzuholen.

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Erstellt:
03.12.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 50sec
zuletzt aktualisiert: 03.12.2020, 06:00 Uhr

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