Reutlingen · Feuerwehr

Reifenbrand in Mittelstadt: Wolke gigantisch, Gefahr gering

Die Gefahrstoffeinheit über ihren Einsatz beim Brand eines Reifenlagers und warum Mittelstadt noch einmal glimpflich davongekommen ist.

07.04.2021

Von Thomas de Marco

Riesige Rauchsäule beim Brand in Mittelstadt am 24. März.Bild: Feuerwehr

Riesige Rauchsäule beim Brand in Mittelstadt am 24. März.Bild: Feuerwehr

Am 24. März ist bei einem Brand in Mittelstadt eine Rauchsäule in den Himmel gestiegen, die sogar von Tübingen aus zu sehen war. Die Reutlinger Feuerwehr, die um 14.59 Uhr alarmiert wurde, rückte mit rund 200 Kräften aus (wir berichteten). Mittendrin die Gefahrstoffeinheit, die mit sechs Fahrzeugen vor Ort war und Art sowie Konzentration der freigesetzten Schadstoffe gemessen hat. „Der Brand ist noch einmal glimpflich verlaufen“, so das Fazit von Matthias Hertler, 34, dem Leiter der Einheit bei der Berufsfeuerwehr.

Mit dem Mess-Gerätewagen, der auch als Einsatzzentrale diente, wurde bei der brennenden Lagerhalle eines Reifenhändlers in Mittelstadt gemessen, welche Schadstoffe freigesetzt wurden und welche Gefahr für die Einsatzkräfte bestand. Unterstützung kam dabei von Spezialisten der Pfullinger Feuerwehr. Gleichzeitig war ein CBRN-Erkundungswagen unterwegs, um die Verbreitung der Schadstoffe zu messen (siehe Info-Box). Bei langsamer Fahrt wird dabei Luft in ein Ionen-Mobilitäts-Spektrometer gesaugt, das mit einem Computer verbunden ist. Damit wird die Schadstoffmenge in der Luft analysiert.

„Wenn Reifen brennen, ist das nicht ungefährlich“, erklärt Hertler. „Aber die Dosis macht das Gift.“ Und in Mittelstadt hätten die windstille Witterung und die Thermik dafür gesorgt, dass der Rauch hoch nach oben stieg und die Konzentration der Schadstoffe deshalb stark verdünnt wurde, sagt Nico Galla, 37, einer von zwei Stellvertretern Hertlers. „Je höher die Rauchsäule steigt, desto größer ist auch der Verdünnungseffekt.“

Spezialisiert auf Schadstoffmessung: Nico Galla mit dem Ionen-Mobilitäts-Spektrometer (vorne), hinten Matthias Hertler, der Leiter derGefahrstoffeinheit bei der Reutlinger Feuerwehr.Bild: Horst Haas

Spezialisiert auf Schadstoffmessung: Nico Galla mit dem Ionen-Mobilitäts-Spektrometer (vorne), hinten Matthias Hertler, der Leiter der Gefahrstoffeinheit bei der Reutlinger Feuerwehr.Bild: Horst Haas

Mehr als 50 Kilometer ist der Erkunder beim Mess-Einsatz gefahren, immer in der Nähe der weithin sichtbaren schwarzen Wolke, die Richtung Riederich und Bempflingen zog. Bis 21.30 Uhr war der Wagen unterwegs. „Wie wir bei der Höhe der Rauchsäule vermutet haben, sind unten höchstens Kleinstmengen an Schadstoffen angekommen, die aber nicht nachweisbar waren“, erinnert sich Hertler.

Weshalb die Bevölkerung in Mittelstadt dennoch aufgefordert worden war, Türen und Fenster geschlossen zu halten, erklärt Galla: „Der Geruch ist viel intensiver als die Gesundheitsgefahr. Außerdem hätte auch Wind aufkommen können.“ Wenn der geblasen hätte, wäre der Rauch nach Mittelstadt gezogen und dort in hoher Konzentration abgesunken, ergänzt Hertler. Im Extremfall müssen Gebiete sogar ganz geräumt werden.

So aber wurden gemessen, dass nur in einem Umkreis von 15 Metern um den Brandherd Schadstoffe ausfielen. Ansonsten wurden sie mit der Wolke weit nach oben transportiert. Die Feuerwehr konzentrierte sich währenddessen darauf, die Ausbreitung des Brands auf angrenzende Gebäude und in der Nähe stehende Wohnwagen zu verhindern. Dann wurde der Brandherd mit Wasser abgekühlt und schließlich gut drei Stunden nach Ausbruch des Feuers mit Schaum abgedeckt.

Das Feuer in Mittelstadt war bereits der zweite Einsatz für die Gefahrstoffeinheit der Feuerwehr in diesem Jahr. Zuvor war sie am 9. März zum Brand einer Halle in Wittlingen ausgerückt, weil dort Solaranlagen und Lithium-Ionen-Batterien lagerten. Derzeit sind die Mitglieder der Gefahrstoffeinheit, die normalerweise in ihren Stammeinheiten aktiv sind, aber vor allem zur Unterstützung der Corona-Abstrichstelle an der Kreuzeiche und bei den Corona-Schnelltests im Einsatz.

Die große Rauchsäule in Mittelstadt werden sie bei der Spezialeinheit nicht so schnell vergessen, das ist sicher. „Alle konnten auf Sicht an den Brandort anfahren – das geht sonst nur bei der Feuerwehrschule so“, sagt Galla.

Teures Spezialgerät für Gefahrstoff-Bekämpfung

Der CBRN-Erkundungswagen ist zum Messen, Spüren und Melden radioaktiver und chemischer Kontaminationen und Quellen sowie zum Kennzeichnen und Überwachen kontaminierter Bereiche vorgesehen. Das Fahrzeug, in dem vier Personen im Einsatz sind, ist vom Bund angeschafft worden und kostet rund 100 000 Euro. Alleine der Ionen-Mobilitäts-Spektrometer, der während der Fahrt Luft ansaugt und testet, ist 35 000 Euro teuer. Im Landkreis Reutlingen gibt es nur einen solchen Erkunder.