GWG-Geschäftsführer im Interview

Wohnraum schaffen: Es geht noch was

Bauen soll heute alles: viel Wohnraum schaffen und das schnell, wenig Flächen verbrauchen, bezahlbares Wohnen ermöglichen, das Klima schützen, kreativ sein und Schönes schaffen, ein Zuhause in vier Wänden und im Quartier stiften und und und. Wirtschaft im Profil sprach mit Uwe Wulfrath, dem Geschäftsführer der GWG Tübingen.

03.06.2022

Von Gernot Stegert

Uwe Wulfrath. Bild: Volker Rekittke

Uwe Wulfrath. Bild: Volker Rekittke

Die Erwartungen an eine städtische Wohnungsgesellschaft sind noch mal größer. Wie gehen Sie damit um? Was geht, was nicht? In Ihrer Auflistung haben Sie sogar noch etwas vergessen, nämlich dass alle Ziele „not in my backyard“ erfüllt werden sollen.

Was geht und was nicht geht, hängt nicht nur von uns ab. Zum Bauen brauchen wir Grundstücke und Planungsrecht und je nach Kosten der Grundstücke und je nach Ausgestaltung des Planungsrechts kann Bauen extrem teuer sein oder nur teuer. Bei guten Rahmenbedingungen, also wenn das Grundstück bereits der GWG gehört und wir wirtschaftlich bauen können, also mit mindestens vier bis fünf Obergeschossen und in ausreichend großer Baufenstertiefe bestanden in der Vergangenheit durchaus Spielräume, innovativ und besonders zu bauen. Schön hat meiner Meinung nach nichts mit Kosten zu tun, sondern nur mit der Qualität des beauftragen Architekturbüros und so zu bauen, dass Ressourcen geschont werden, sollte meiner Meinung nach im Hinblick auf kommende Generationen gesetzt sein.

Die aktuelle Lage ist eine besondere. Was bei den derzeitigen Baupreisen und Lieferengpässen noch geht oder nicht, weiß ich ehrlich gesagt auch noch nicht.

Wie und wo setzen Sie Prioritäten?

Besonders wichtig ist für uns, unseren Wohnungsbestand fit für die Zukunft zu machen, das heißt vor allem die Energieverbräuche und CO2-Emissionen zu reduzieren. Zweites wichtiges Ziel ist, die Anzahl unserer Wohnungen zu erhöhen, damit mehr Menschen von unseren günstigen Mieten profitieren können. Diese beiden Ziele können dort kombiniert werden, wo die Bausubstanz so schlecht ist, dass wir um Abbruch und Neubau nicht drum herum kommen, zum Beispiel bei Gebäuden aus den 1950er-Jahren, die aus dem Baugrund Wasser ziehen, wie ein Schwamm. An diesen Stellen versuchen wir auf gleicher Fläche mehr Wohnungen zu bauen.

Was sind gerade Ihre Hauptprobleme?

Das Hauptproblem sehe ich derzeit in der Schwierigkeit, Kosten zu kalkulieren: Weil auch die Handwerker von ihren Lieferanten zum Teil nur Tagespreise bekommen, ist entweder bis zum Tag der Lieferung der Materialien keine Preissicherheit vorhanden oder – wenn man auf Festpreise besteht – ist in den Handwerkerangeboten so viel Angst drin, dass der Bau auf alle Fälle zu teuer wäre. Eigentlich kann man derzeit keine neuen Projekte beginnen, aber die Wohnungsknappheit lässt diese Lösung auch nicht zu.

Wie viel Wohnraum kann die GWG in Tübingen überhaupt noch schaffen? Die Flächen sind ja begrenzt.

Wir haben schon noch 300 bis 500 zusätzliche Wohnungen in der Pipeline, aber das hängt natürlich stark davon ab, ob wir dafür Planungsrecht erhalten. Speziell auf WHO wird das spannend.

Die Hauptaufgabe von städtischen Wohnungsgesellschaften war immer das bezahlbare Wohnen. Ist es so bei steigenden Baupreisen und bei stark erhöhten Klimaschutz-Anforderungen überhaupt noch leistbar?

Wir haben in Baden-Württemberg eine gute Landesförderung, die das Ziel eigentlich schon erreichbar macht. Aber die Preisspitzen, die wir derzeit sehen, führen selbst bei dieser Förderung dazu, dass es schwierig wird, mit den Mieten den Kapitaldienst für die notwendigen Darlehen zu decken. Wir werden mit unserem Aufsichtsrat diskutieren müssen, ob wir eine Querfinanzierung von Neubauten durch Bestandsgebäude akzeptieren können, oder ob wir den Neubau stoppen. Ganz klar ist aber, dass die hohen Baukosten Auswirkungen auf die Miethöhe haben werden.

Am Klimaschutz zu sparen hielte ich für falsch. Damit würden wir nachkommenden Generationen nur noch höhere Kosten zumuten.

Wo und wie lässt sich beim Bauen sparen? Sind Siedlungsmodelle der 1920er-Jahre mit ihren Standardisierungen und Reihenfertigungen ein Vorbild?

Sehr teuer sind unterirdische Bauteile, also Keller und Tiefgaragen. Die Stellplatzsatzung hilft also sehr, die Baukosten zu reduzieren. Und je mehr Geschosse auf diesen teuren Untergeschossen sind, umso günstiger sind nachher die Mieten. Auch ist die Hüllfläche der Gebäude teuer: damit sind wir beim Planungsrecht, denn die Festsetzungen im Bebauungsplan ergeben, wie das Verhältnis von Hüllfläche zu Wohnfläche ist. Und schließlich kann man über die Erschließung Kosten sparen: ein Treppenhaus, das vier Wohnungen pro Ebene erschließt, führt zu geringen Baukosten pro Quadratmeter Wohnfläche, als wenn nur zwei Wohnungen damit erschlossen werden.

Im seriellen Bauen sehe ich derzeit keine Lösungsansätze. Es gibt solche Angebote, die passen aber in der Regel nicht zu unseren Bebauungsplänen und ignorieren auch die Topographie. Wirklich günstiger baut man mit diesen Modellen derzeit nicht.

Wie lange dauert es, ehe sich eine gründliche Sanierung eines durchschnittlichen GWG Mietblocks mit Dämmung und Fotovoltaik auf dem Dach amortisiert?

Das ist schwer zu sagen, denn es hängt von sehr vielen Faktoren ab. Uns ist wichtig, dass die Mieten nach der Modernisierung weiterhin unterhalb des Mietspiegels bleiben. Das führt dazu, dass es länger braucht, bis die für die Modernisierung aufgenommen Darlehen getilgt werden. Und dann hängt es natürlich auch ganz wesentlich von der staatlichen Förderung ab: Zuschüsse und niedrige Zinssätze für die Modernisierung sind extrem wichtig.

Was geht beim Klimaschutz noch mehr? Ist mehr Fotovoltaik an Fassaden möglich als bisher? Was halten Sie von Vertikal Gardening?

Ich denke, bei der Dämmung sind wir am Ende der Sinnhaftigkeit angekommen. Skeptisch bin ich bei technischen Lösungen, wie Wärmerückgewinnung bei der Lüftung, weil das in der Regel zu hohen Nebenkosten führt und bei falscher Anwendung keinerlei Energie spart. Unser Fokus ist daher gerade die Energieerzeugung: Fernwärme und Wärmepumpen können die Energie, die man immer brauchen wird perspektivisch klimaneutral erzeugen. Fotovoltaik an Fassaden halte ich für spannend, momentan rechnet sich das aber nur in exponierten Lagen. Vertikal Gardening ist wichtig für das Mikroklima, insbesondere an heißen Sommertagen. Treibt aber leider auch die Nebenkosten hoch, denn die Pflege ist aufwändig.