Tübingen

Tiny Houses: Wohin mit den Mini-Häusern?

Das Interesse ist riesig, Plätze zum Aufstellen sind allerdings noch selten. In einigen Kommunen - darunter auch Tübingen - laufen aber Planungen für die alternative Wohnform. Burgrieden-Rot ist am weitesten.

17.02.2021

Von Alfred Wiedemann

Tiny-Häuser sind gefragt. Stellplätze sind aber bisher nicht so einfach zu finden. Mehrere Kommunen im Südwesten könnten das ändern. Foto: Jens Büttner/dpa

Tiny-Häuser sind gefragt. Stellplätze sind aber bisher nicht so einfach zu finden. Mehrere Kommunen im Südwesten könnten das ändern. Foto: Jens Büttner/dpa

Biberach. Das Interesse an Tiny-Häusern ist riesig, Plätze zum Aufstellen der mobilen Kleinsthäuser sind aber selten in Baden-Württemberg. Wer keinen privaten Stellplatz findet, hofft auf Vereine, die geeignete Grundstücke suchen. Immerhin: Planungen laufen in mehreren Kommunen.

In Burgrieden-Rot im Kreis Biberach sind die Pläne schon sehr konkret – trotz der Hürden Corona und dreistufiges Baugenehmigungsverfahren, das sich zieht. Entstehen soll eine Siedlung mit 35 bis 38 Tiny-Häusern, zudem mit gemeinsam nutzbarem Platz für Co-Working, Gästeübernachtungen oder Waschmaschinen.

Voraussichtlich im März soll der Gemeinderat über den geänderten Bebauungsplan entscheiden. „Wir hoffen, dass wir im Herbst loslegen können“, sagt Manfred Huchler, einer der Initiatoren. Die Liste der Interessenten sei lang.

In der Siedlung kann man sein eigenes Tiny-Haus aufstellen oder eines der Modelle der Tiny-Manufaktur Huchler, die sich als Besitzer der Fläche und Generalunternehmer um Bau, Aufstellen und Anschlüsse kümmert. „An den ersten fünf bis zehn Häusern bauen wir seit Jahresanfang“, sagt Huchler. Ohne Risiko für Auftraggeber: Sie könnten vom Kauf zurücktreten, wenn's Warten zu lang wird. „Unsere Auftragsbücher sind für zwei Jahre voll.“

Interesse zeigten nicht nur junge Leute, die es billiger haben wollen mit weniger Konsum. Auch Ältere fragten an, sagt Huchler. Denen gehe es darum, dass ihr Haus zu groß geworden ist, oder um Barrierefreiheit. Auch der Öko-Aspekt sei wichtig: Viel weniger versiegelte Fläche, kaum Eingriffe in die Natur und das Verwenden von leicht recycelbarem Material. „Unsere Siedlung im Rottal wird eine ökologische Oase“, sagt Huchler.

In Kißlegg (Kreis Ravensburg) haben sich die Pläne für eine Tiny-House-Siedlung dagegen zerschlagen. Ein Baugrundgutachten zeigte, dass beim anvisierten Gelände die Erschließung mit Straßen und Leitungen zu teuer fürs preiswerte Wohnen wäre. Bürgermeister Dieter Krattenmacher (CDU) will sich nach anderen Flächen umschauen: Mehr als 200 Interessierte zeigten, dass Tiny-Häuser kein Randthema seien.

Isny im Kreis Ravensburg, nur 25?Kilometer von Kißlegg entfernt, prüft gerade Möglichkeiten für eine Siedlung mit den Mini-Häusern. Interessenten können online ein Formular ausfüllen. „Wir wollen nicht am Bedarf vorbeiplanen“, sagt Andrea Pezold von der Verwaltung. „Es gibt reges Interesse, wir haben schon viele Rückmeldungen.“

„Großes Interesse“ an Plänen für eine Siedlung mit Mini-Häusern meldet Löffingen im Schwarzwald. Dort könnte ein Teil eines neuen Baugebiets im Teilort Dittishausen dafür reserviert werden. „Das Gebiet ist aber bisher weder erschlossen, noch gibt es einen Bebauungsplan“, lautet die Auskunft aus dem Rathaus.

In Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) stehen fünf Bauparzellen fürs alternative Wohnen bereit. Bis Ende Februar läuft die Ausschreibung. 500 Anfragen gab es – und schon sieben Bewerber, die in Frage kommen, sagt Svenja Beigl vom Fachbereich Wirtschaftsförderung und Grundstücksverkehr. Die Stadt nutze die Experimentierklausel im Baurecht und verpachte die Parzellen für zehn Jahre. Zwei weitere Flächen werden noch geprüft.

Weissach im Tal (Rems-Murr-Kreis) meldet eine „sehr starke Nachfrage“ nach einer Tiny-Haus-Siedlung. Etwa 20 Interessenten stehen schon auf einer Liste. Musikpädagoge, Rentnerin, Referendar, Selbstständige – „die Interessenten bringen ganz unterschiedliche private wie berufliche Lebensbiographien mit“, sagt Bürgermeister Ian Vincent Schölzel. Die Idee entstand bei einer Aktion zur Bürgerbeteiligung, der „Zukunftsoffensive Ortsteile“, die Gemeinde stehe außerdem in Kontakt mit dem Tiny-Haus-Verein Stuttgart, der Gemeinderat unterstütze mehrheitlich das Vorhaben.

Offen ist der Standort. „Ich gehe davon aus, dass wir das laufende Jahr dazu nutzen, um die Grundstücksthematik zu klären“, sagt Schölzel. „Dann werden wir den Bebauungsplan zur Realisierung unserer Tiny-Haus-Siedlung aufstellen.“

In Tübingen hat Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) im Sommer 2020 per Brief bei Eigentümern von Grundstücken dafür geworben, geeignete Flächen für Tiny-Häuser bereitzustellen – auf Pachtbasis. Das ist Teil der städtischen Initiative, unbebaute Grundstücke endlich fürs Wohnen zu nutzen. Bisher gab es nur wenige Rückmeldungen.

Das sei aber auch der Corona-Pandemie geschuldet, viele Menschen hätten gerade andere Herausforderungen zu bewältigen. „Durch den Appell ist das Thema stärker in die Öffentlichkeit gerückt“, sagt Palmer. „Das zeigen uns auch die Nachfragen anderer Kommunen, die ebenfalls mit Hilfe von Tiny Houses gegen Wohnraummangel vorgehen wollen.“

Der Verein „Mut zur Lücke“ hatte den OB auf die Idee gebracht. Er vermittelt zwischen Verpächtern und Pächtern. 80 Anfragen seien eingegangen von Menschen, die gerne eine Baulücke zwischennutzen würden.

„Dagegen steht im Moment leider nur eine Handvoll Baulückenbesitzer, die sich mit Interesse gemeldet haben“, sagt Jonas Hansche vom Tübinger Verein. Im Stadtgebiet gab es noch keine konkrete Rückmeldung, aber aus umliegenden Gemeinden. Erfolgreich vermittelt wurde noch nichts, für ein Grundstück wird konkret geplant.

In Ummendorf (Kreis Biberach) arbeitet die Landsiedlung Baden-Württemberg an Skizzen für zwei mögliche Tiny-Haus-Baugebiete. Wie es weitergeht, entscheide der Gemeinderat, sagt Bürgermeister Klaus B. Reichert (CDU).

Mini-Häuser seien im Trend, sparten Fläche und belasteten die Natur wenig. Das habe bei einem Gebiet im Außenbereich auch den Kreis-Naturschutzbeauftragten überzeugt. Gescheitert seien die Pläne an dem Standort aber an Landesvorschriften. Reichert kritisiert, dass für die mobilen Mini-Häuser die üblichen Bestimmungen für Wohngebiete gelten. Nötig sei aber schnelle Entlastung des Wohnungsmarkts, auch im Großraum Biberach.

Hier könnten einmal Tiny-Häuser stehen

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Wohnen kompakt

Tiny bedeutet „winzig“, Tiny-Häuser stehen für das ­Wohnen auf kleinstem Raum, mit dem Nötigsten nur ausgestattet, umweltbewusst, mit gutem Gewissen, mit wenig Flächenverbrauch und auch sonst wenig Beeinträchtigung der Natur.

Ab 25 000 Euro aufwärts als Kaufpreis muss man für ein solches Haus rechnen, 15 bis 45 Quadratmeter Platz hat man dann, es gibt aber auch größere (und teurere) Kleinsthäuser. Immer geht es um nachhaltiges Wohnen mit weniger Kosten, bezahlbaren Wohnraum, Flexibilität.

Ein Häuschen zimmern (lassen) und das in die Prärie zu stellen, geht eher nicht: Fürs Aufstellen zur dauerhaften Nutzung braucht es vor allem eine genehmigungsfähige Fläche. Wasser, Abwasser, Strom, Müllabfuhr müssen zudem geregelt sein. - aw

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Erstellt:
17.02.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 54sec
zuletzt aktualisiert: 17.02.2021, 06:00 Uhr

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