Sparkassentag

Wirtschaft vor Weichenstellung

Pandemie, europäische Zinspolitik und Klimawandel treiben Geldinstitute und Unternehmen im Land um. Um weiter erfolgreich zu wirtschaften, braucht es Mut, ist eine Expertin überzeugt.

21.10.2021

Von Julia Kling

Um die notwendige Transformation der Wirtschaft zu meistern, sind auch die Banken und Sparkassen gefragt. Foto: Marijan Murat/dpa

Um die notwendige Transformation der Wirtschaft zu meistern, sind auch die Banken und Sparkassen gefragt. Foto: Marijan Murat/dpa

Wir erleben seit 2017 eine Vertröstungsarie.“ Der Präsident des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg, Peter Schneider, machte zu Beginn des diesjährigen Sparkassentages, der unter dem Motto „Verantwortung übernehmen in einer Welt der Umbrüche“ stand, deutlich, mit was die 50 Verbandsmitglieder derzeit zu kämpfen haben. Die unveränderte Geldpolitik der europäischen Zentralbank sei neben der Corona-Krise die größte Herausforderung.

„Die EZB verharrt anders als etwa die US-Notenbank Fed weiter in der Negativzinswelt“, erklärte Schneider vor 400 Zuhörerinnen und Zuhörern in der Ulmer Donauhalle. Dieses Vorgehen habe in Kombination mit der derzeitigen Inflation zur Folge, dass der Realzins in Deutschland auf einem historischen Tiefpunkt angekommen sei. Diese Situation stelle nicht nur Banken, sondern vor allem auch die Kundinnen und Kunden vor Probleme. Große Hoffnungen auf eine baldige Abkehr von der Niedrigzins-Politik der EZB sieht Schneider nicht: „Vielmehr ist der Rücktritt von Bundesbank-Chef Jens Weidmann eine schlechte Nachricht für uns.“

Der Blick auf die Pandemie-­Zeit stimmte den Sparkassen-Vertreter positiver: „Bis jetzt bin ich zufrieden. Auch wenn nicht alles einfach war.“ Während die Sparkassen im Land eigenen Angaben zufolge Kreditstundungen in Milliardenhöhe genehmigten, wuchs die Kreditvergabe an Unternehmen und Selbstständige um über 5 Milliarden auf rund 70 Milliarden Euro. „Einmal mehr zeigte sich: Krisenzeiten sind Sparkassenzeiten“, sagte Schneider. „Wir waren vom ersten Tag der Pandemie an voll handlungsfähig und haben so als Hauptfinanzierer des Mittelstands schlimmeres verhindert.“ Ziel sei es jetzt, gestärkt aus der Pandemie-Zeit zu kommen, betonte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. „Und zwar besser als andere Regionen, das ist unsere Benchmark.“

Schneider zufolge ist es wichtig, auch deshalb gerade jetzt den Bürokratieabbau anzugehen. „Die Politik muss endlich den Mut besitzen, völlig überflüssige Regulierungsvorhaben abzusetzen.“ Unterstützung erhielt er von Ulms Oberbürgermeister. „Wir sind mittlerweile wirklich übersteuert“, sagte Gunter Czisch. Vielmehr sollte die Zeit wieder für die eigentliche Aufgabe der Sparkassen verwendet werden, „sich nämlich um die Menschen zu kümmern“.

Die größte Herausforderung sieht Schneider in der Ökologisierung der Wirtschaft. „Das wird eine Herkulesaufgabe.“ Saori Dubourg sieht auf die Wirtschaft einen Paradigmenwechsel zukommen. „Bislang sind die Unternehmen aufmarschiert, um Marktanteile hinzuzugewinnen und ein Volumenwachstum zu generieren“, sagte Dubourg, die seit 2017 dem Vorstand der BASF angehört. Seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 sei jedoch klar, dass es künftig ein Wertwachstum brauche. „Die nächste Dekade erfordert eine kluge Ressourcennutzung auf allen Ebenen.“ Wichtig für die Wirtschaft sei es, diesen Prozess als Chance zu nutzen. „Die Kernfrage lautet: Bleiben wir stehen und beschweren uns oder gehen wir voran und gestalten?“

Dubourg warb für Aufbruchstimmung. Die Verantwortlichen müssten sich im Klaren sein, dass „viele heutige Produkte nicht mehr die Lösungen von morgen“ seien. Es bedürfe einer Verzahnung von Wirtschaft, Politik und Finanzwelt. Um etwa die Herausforderung der Stromgewinnung zu schaffen, brauche es nicht nur lokale oder nationale Anstrengungen. „Das müssen wir international angehen.“ Auch Hoffmeister-Kraut betonte die Anstrengungen, die nötig sein werden, um den Umbau hin zu mehr Umweltschutz zu meistern. Dieser werde nur mit einem ausreichenden Finanzierungsangebot der Banken gelingen.

Kredite in Milliardenhöhe gestundet

Die Sparkassen in Baden-Württemberg haben in der Corona-Krise als stützende Kraft für die Wirtschaft gedient und bei zehntausenden Krediten Aufschub gewährt. In der Spitze hätten die Sparkassen Kredite in Höhe von 1,7 Milliarden Euro gestundet, teilte ein Sprecher des Sparkassenverbands Baden-Württemberg mit.

Zusammen mit der Landesbank Baden-Württemberg seien seit März 2020 zudem rund 8100 Förderkredite mit einem Volumen von 2,2 Milliarden Euro vermittelt worden. dpa

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Erstellt:
21.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 48sec
zuletzt aktualisiert: 21.10.2021, 06:00 Uhr

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