Coronavirus

Wirtschaft ist infiziert

Die Ausbreitung des Infektionserregers dürfte sich auf die Konjunktur auswirken. Unternehmen reagieren und verbieten Chinareisen.

25.01.2020

Von THOMAS VEITINGER

Desinfektion eines Zugs in Wuhan. Bislang gibt es 900 Erkrankungen, 25 Menschen sind gestorben. Foto: Chung Sung-Jun/Getty Images

Desinfektion eines Zugs in Wuhan. Bislang gibt es 900 Erkrankungen, 25 Menschen sind gestorben. Foto: Chung Sung-Jun/Getty Images

Ulm. Konferenzen werden verschoben, Sportveranstaltungen abgesagt. Börsen gehen weltweit zurück. Die Luftfahrt- und Tourismus-Branche leiden besonders. Die Rede ist von dem Schweren Akuten Atemnotsyndrom (Sars) in den Jahren 2002 und 2003. Damals sterben 800 Menschen – jeder zehnte Erkrankte. Der wirtschaftliche Schaden beträgt schließlich vermutlich 30 Mrd. Dollar, davon 10 Mrd. Dollar in der Luftfahrtindustrie, die zwei Jahre lang schrumpft.

Jetzt ist eine ähnliche Infektion ausgebrochen: der Coronavirus. Auch diesmal reagieren die Börsen auf die schlechten Nachrichten aus China. Anders als vor 18 Jahren werden staatliche chinesische Stellen sofort aktiv und schotten 43 Mio. Menschen ab.

Obwohl sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen die Ausrufung eines internationalen Gesundheitsnotstands entscheidet, nehmen viele Unternehmen den Ende Dezember festgestellten Ausbruch ernst – auch in Deutschland. Laut Experten muss es nicht bei milden Verläufen bleiben. Erreger sind wandelbar und anpassungsfähig und können weitaus ansteckender und gefährlicher werden.

Schaeffler verbietet seinen 89?000 Mitarbeitern Dienstreisen von und nach China. Der Autozulieferer betreibt in China acht Werke und hat in der besonders stark betroffenen Millionenstadt Wuhan einen Logistikstandort. In der wegen des Coronavirus abgeriegelten Metropole sind auch die Autozulieferer Webasto und Brose sowie Thyssenkrupp vertreten. Siemens betreibt dort einen kleinen Standort und rät seinen Mitarbeitern ab, nach China zu reisen, wie der Technologiekonzern auf Anfrage mitteilt. Ein Verbot werde aber nicht verhängt, da es wegen des Chinesischen Neujahresfestes am Samstag kaum einen Anlass gebe, in das Land zu fliegen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte erst vor fünf Monaten in Wuhan die Erweiterung des Webasto-Werks eröffnet. 500 Mitarbeiter bauen dort Autodächer und Elektro-Ladestationen. Eine Firmensprecherin sagte: „Derzeit produzieren wir weiter wie bisher.“

Für die Umwelt-Geräte-Technik in Müncheberg (Landkreis Märkisch-Oderland) ist China einer der wichtigsten Exportpartner. „Wir werden keine Monteure für die Installation entsenden, wenn deren Gesundheit gefährdet ist. Dann finden wir einen anderen Zeitraum“, sagt Vertriebsleiterin Kerstin Thomsen. „Wegen des Coronavirus' sollte man nicht in Panik ausbrechen, es gibt jedes Jahr irgendwo Pandemien.“

Beim Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg aus Künzelsau (Hohenlohekreis) hat der Vorstandschef Peter Fenkl entschieden, keine Mitarbeiter mehr nach China fliegen zu lassen. Fenkl: „Die Gesundheit unserer Mitarbeiter ist wichtiger als wirtschaftliche Aspekte.“ Zudem wurde der Transport eines Übersee-Containers gestoppt, der mit Maschinen und Bauteilen nach China geschickt werden sollte, um dort einen Messestand zu bestücken. Anfang April soll in Wuhan die China Refrigeration stattfinden; die bedeutendste Messe für Kühl-, Klima- Heizungs-, Lüftungstechnik im asiatischen Raum.

Bei Volkswagen gibt es derzeit keine Restriktionen für Dienstreisen, die Entwicklung werde aber aufmerksam verfolgt, sagt ein Sprecher. Unternehmen der Textilindustrie reduzieren so gut es geht ihre Reisen, eine Firma – die nicht genannt werden will – verbietet ihren Mitarbeiter Reisen dorthin völlig.

Das Coronavirus in China könnte laut einer Studie der US-Investmentbank JPMorgan „deutliche Abwärtsrisiken“ für die konjunkturelle Entwicklung zu Folge haben, wenn es sich ausbreitet. Noch sei es zwar zu früh, um mögliche Auswirkungen auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zu erkennen. Allerdings erkennen die JPMorgan-Experten im Verlauf der Krankheit Parallelen zur Sars-Pandemie, die zu einer ernsten Belastung für Chinas Wirtschaft wurde. (mit dpa/keb)

Ein Warnzeichen für biologische Gefahren. Foto: ©Kaspri/Shutterstock.com

Ein Warnzeichen für biologische Gefahren. Foto: ©Kaspri/Shutterstock.com

Zum Artikel

Erstellt:
25.01.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 37sec
zuletzt aktualisiert: 25.01.2020, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Prost Mahlzeit
Sie interessieren sich für gutes und gesundes Essen und Trinken in den Regionen Neckar-Alb und Nordschwarzwald? Sie wollen immer über regionale Gastronomie und lokale Produzenten informiert sein? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Prost Mahlzeit!