Forschung

Wird Erasmus ein Brexit-Opfer?

Das britische Unterhaus macht das EU-Jugendprogramm zur Verhandlungsmasse. Deutsche Politiker werben für Fortführung.

11.01.2020

Von Mathias Puddig

London/Berlin. Droht das Erasmus-Programm der Europäischen Union unter die Räder der Brexit-Verhandlungen zu kommen? Nachdem das britische Unterhaus am Mittwochabend einen Antrag abgelehnt hatte, der die Regierung verpflichtet hätte, das Programm fortzusetzen, ist unklar, ob der rege Austausch zwischen dem Königreich und den anderen EU-Staaten auch künftig fortgesetzt werden kann. Zwar werden sich während der Übergangsphase bis Ende 2020 keine Veränderungen ergeben. Wie es danach weitergeht, muss aber im Rahmen der Austrittsverhandlungen vom 1. Februar an noch verhandelt werden: mit offenem Ausgang.

Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) warb bereits dafür, Großbritannien in dem Programm, das seit sechs Jahren offiziell den Namen „Erasmus+“ trägt, zu halten. „Erasmus+ verbindet Menschen und steht wie kaum ein anderes EU-Programm für europäische Verständigung“, sagte sie dieser Zeitung. „Deshalb wünschen wir uns, dass Erasmus+ auch nach dem Brexit Brücken zwischen Europa und dem Vereinigten Königreich baut.“ Auch die britische Regierung verfolge die weitere Teilnahme an Erasmus, erklärte das Londoner Bildungsministerium.

Zweifel an Johnsons Absichten

Daran gibt es jedoch auch Zweifel. Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley (SPD), sagte über die Entscheidung des britischen Unterhauses: „Dadurch macht Johnson deutlich: Erasmus+ ist für ihn keineswegs gesetzt, sondern Teil der Verhandlungsmasse für das künftige Abkommen mit der EU.“ Die frühere deutsche Justizministerin mahnte: „Die vielen tausend Studierenden und Auszubildenden dürfen nicht zum Spielball in den Verhandlungen werden.“

Erasmus+ ist eine der großen Erfolgsgeschichten der Europäischen Union. Als das Programm 2017 sein 30-jähriges Bestehen feierte, hatten schon 650?000 Studierende aus Deutschland daran teilgenommen. Insgesamt wurden bis vor drei Jahren rund 4,4 Millionen junge Menschen unterstützt. Großbritannien ist dabei für deutsche Studierende nach Spanien und Frankreich stets das wichtigste Zielland gewesen. Für Praktikanten, die sich ebenfalls über das Programm fördern lassen können, war es sogar das wichtigste Zielland.

Dabei ist keineswegs gesagt, dass Großbritannien durch den Brexit auch Erasmus aufgibt. So weist Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, darauf hin, dass eine „Schweizer Lösung“ durchaus denkbar wäre. 2014 stimmten die Schweizer in einer Volksabstimmung gegen das Programm. Anstatt Erasmus aufzugeben, haben die Schweizer Hochschulen die Kosten für Erasmus-Mobilitäten selbst übernommen. „Etwas ähnliches kommt wohl auch auf die britischen Hochschulen zu“, sagt Meyer auf der Heyde.

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Erstellt:
11.01.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 10sec
zuletzt aktualisiert: 11.01.2020, 06:00 Uhr

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