Verbindungshockete mit Protest

Wieder Gegenkundgebungen bei Bürgerschoppen des Arbeitskreises Tübinger Verbindungen

Bei der Mai-Hockete des Arbeitskreises Tübinger Verbindungen gab es wieder Gegenkundgebungen. Die Polizei drängte Blockierer zurück.

07.05.2018

Von Miri Watson

Beim Bürgerschoppen der Verbindungen waren die Bänke gut besetzt. Bild: Faden

Beim Bürgerschoppen der Verbindungen waren die Bänke gut besetzt. Bild: Faden

Etwa 100 Verbindungsgegner demonstrierten am Sonntagvormittag beim Bürgerschoppen der Tübinger Studentenverbindungen auf dem Platz vor der Alten Burse. Mit Trillerpfeifen und Sprechchören, in denen es etwa hieß „Es gibt kein Recht auf rechte Propaganda“, machten die Demonstranten ihrem Unmut über die Veranstaltung der Verbindungsstudenten Luft. Auch auf dem Holzmarkt gab es eine Gegenveranstaltung der Antifa Reutlingen/Tübingen. Dort hieß es: „Wir wollen denen da drüben auf dem Bursaplatz nicht unwidersprochen den öffentlichen Raum hinterlassen.“

Zuvor hatte eine Gruppe Verbindungsgegner unangemeldet, aber friedlich versucht, die Bursagasse zu blockieren. Dabei seien sie, wie sie berichteten, von Bereitschaftspolizisten abgedrängt worden. Joachim Böck von der Antifaschistischen Aktion Aufbau Tübingen berichtete: „Von uns Demonstranten ist keine Gewalt ausgegangen, aber die Polizei hat uns gewaltsam zurückgedrängt und ist mit gezückten Messern auf unsere Transparente losgegangen, die dabei zerschnitten wurden. Dabei hätte leicht jemand verletzt werden können“.

Regierunspräsident Klaus Tappeser versuchte vor den 400 fast ausschließlich korporierten Besuchern des Bürgerschoppens zwischen Demonstranten und Verbindungsstudenten zu vermitteln: „Eigentlich ist das, was hier passiert, in einer Demokratie ganz normal.“ Da gäbe es die, die auf dem Bursaplatz säßen und für ihre Überzeugungen Farben trügen, und jene, die am Klosterberg und auf dem Holzmarkt für ihre Überzeugungen demonstrierten.

Einige Gegner versuchten, den Zugang zum Platz vor der Burse zu blockieren und wurden von der Polizei zurückgedrängt. Bild: Faden

Einige Gegner versuchten, den Zugang zum Platz vor der Burse zu blockieren und wurden von der Polizei zurückgedrängt. Bild: Faden

Oberbürgermeister Boris Palmer, der in den zehn Jahren, die es den Bürgerschoppen schon gibt, zum achten Mal sprach, rief zu einem Perspektivenwechsel auf. Dabei verglich er den Slogan „Verbindungen vermieten“ der Verbindungsgegner mit Alexander Gaulands Äußerung nach der Bundestagswahl im vergangenen Jahr, als er sagte: „Wir werden Frau Merkel jagen und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen“.

Auch die Verbindungsstudenten forderte er auf, die Perspektive zu wechseln und kam dabei auch auf sein aktuelles Thema zu sprechen: So zog er den Vergleich zwischen den seiner Ansicht nach rüpelhaften Asylbewerbern und betrunkenen Burschenschaftlern, die nachts die Polizei auf Trab hielten.

Kritikpunkte der Demonstranten waren unter anderem der Ausschluss von Frauen aus den Verbindungen. Unter den 35 aktiven Tübinger Verbindungen sind fünf, die Männer und Frauen aufnehmen und drei Damenverbindungen. Andreas Strecke, Vorsitzender des Arbeitskreises Tübinger Verbindungen (AKTV), antwortete gegenüber dem TAGBLATT auf diesen Vorwurf mit Goethes Faust: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“. Er sagte, die geringe Anzahl von Frauen in den Verbindungen käme daher, dass erst in den vergangenen Jahren die Anzahl der Studentinnen zugenommen hätte und sich eine weibliche Verbindungstradition erst noch entwickeln müsse.

Ein weiterer Vorwurf der Verbindungsgegner, ist, die Burschenschaften würden sich zu wenig mit ihrer Geschichte auseinandersetzen. So werde noch zu selten über die Rolle der Verbindungen im Nationalsozialismus gesprochen und auch die Beteiligung der Tübinger Burschenschaften bei der blutigen Niederschlagung des Hungeraufstandes im Jahr 1847 würde kaum thematisiert. Strecke dazu: „Während des Nationalsozialismus gab es auch bei uns Nazis. Aber unter den Verbindungsstudenten waren auch zahlreiche Gegner der Nationalsozialisten. Wir waren ein Spiegel der Gesellschaft.“

Zum Hungeraufstand sagte er: „1847 gab es die Herrschaften, die da rumkrakelen, noch gar nicht. Uns kann niemand vorwerfen, uns rechtsstaatlich verhalten zu haben, wir haben damals nur die Obrigkeit unterstützt“. Auf den Vorwurf, dass Verbindungen Karrierenetzwerke schaffen und damit der Chancengleichheit entgegenstehen würden, antwortete Strecke: „Wenn ich zwei gleichwertige Bewerber habe, kann mir niemand vorwerfen, dass ich dann den einstelle, der mir näher steht, das macht jeder Kegel- oder Kleintierzüchterverein genauso“. Vielleicht, so vermutete er, käme die Kritik daher, dass die Burschenschaftler als Akademiker in den Führungspositionen säßen „und die da hinten es nie dort hin schaffen“.

Zu den Protesten, von denen die Veranstaltung begleitet wurde, sagte der AKTV-Vorsitzende: „Es ist am besten, wenn man sich ein Bild von den anderen macht. Das geschieht am besten, wenn man ins Gespräch kommt und nicht, wenn man sich anschreit oder vom Platz drängt“.

Zehn Jahre Bürgerschoppen der Verbindungen

Schon vor dem Krieg begann die Tradition, dass die Tübinger Verbindungen in der Nacht auf den 1. Mai durch Tübingens Straßen ziehen, um Lieder des Volksguts und traditionelle Verbindungs-Lieder zu singen. Zuletzt wurde diese Veranstaltung von großen Protesten begleitet. Oberbürgermeister Boris Palmer sprach von einer „Krawallnacht“. 2009 gab es als Ersatz zum Maisingen erstmals den Bürgerschoppen, bei dem der Arbeitskreis Tübinger Verbindungen gemeinsam mit der Feuerwehr und verschiedenen Vereinen auf den Bursaplatz zum Umtrunk einlädt. Nachdem der Bürgerschoppen in den ersten Jahren noch von Protesten begleitet wurde, war es einige Jahre ruhig um diese Veranstaltung geworden. Im vergangenen Jahr gab es erstmals wieder Proteste gegen den Bürgerschoppen.