Tübingen · Demonstration

„Lu15“: Viel Polizei, doch die Lage blieb friedlich

Knapp 300 politisch links orientierte Demonstranten zogen am Freitag vom Sternplatz in die Altstadt. Sie kritisierten den Polizeieinsatz in der „Lu15“.

14.02.2020

Von Eike Freese

„Unsere Solidarität gegen eure Repression“ war ein Motto des Demonstrationszugs am Freitagabend (hier an der Hechinger Straße).Bild: Klaus Franke

„Unsere Solidarität gegen eure Repression“ war ein Motto des Demonstrationszugs am Freitagabend (hier an der Hechinger Straße).Bild: Klaus Franke

Es waren am Ende knapp 300 Demonstrantinnen und Demonstranten, die am Freitagabend vom Sternplatz in die Tübinger Altstadt zogen. Zu Musik bekannter Punkbands skandierten die überwiegend jungen Frauen und Männer Parolen wie „BRD, Bullenstaat!“ und sammelten sich hinter Transparenten wie „Unsere Solidarität gegen eure Repression.“

Auslöser für die Demonstration war ein Großeinsatz der Polizei am vorvergangenen Dienstag im alternativen Wohnprojekt „Lu15“ in der Tübinger Ludwigsstraße gewesen (das TAGBLATT berichtete). Art und Umfang des Einsatzes bezeichneten die Bewohner der Ludwigstraße als völlig überzogen. „Für den Verdacht einer versuchten Sachbeschädigung 70 schwer bewaffnete und vermummte Polizisten im Haus? Das nenne ich Einschüchterung“, sagte ein Lu15-Bewohner gegenüber dem TAGBLATT. Neben der erfahrenen Angst und Gewalt fühle man sich zudem als Kriminelle behandelt.

Der Abend hatte mit Musik, Essen und mehreren Reden am benachbarten Sternplatz begonnen, den die linke Szene in der Südstadt gerne als Versammlungsort benutzt. Der politische Konsens der Lu15 sei, so eine Rednerin, nicht auf Aggression sondern auf Argumente, das Vorleben von Alternativen und Kritik angelegt. „Schade, wenn dieser Mut mit so einem kriminalisierenden Einsatz belohnt wird.“ Die Demonstration zog über die Hechinger Straße zunächst zum Epplehaus. Dort, am Lustnauer Tor und am Marktplatz gab es Stopps, stets begleitet von einzelnen Redebeiträgen.

Am Dienstag, 4. Februar, war unangekündigt ein Großaufgebot der Polizei in die Räume des Wohnprojekts eingedrungen und hatte einige Zimmer und den Keller durchsucht. Die Bewohner sprechen von rund 70 bewaffneten und maskierten Beamten. Auslöser der Ermittlungen war die vorläufige Festnahme zweier junger Leute in der Nacht zuvor am Landgericht gewesen: Denen hielt die Polizei vor, sie wollten die Fassade des Gebäudes beschmieren, eine der beiden wohnte in der „Lu15“. Bewohner kritisierten überzogene Gewaltanwendung, Einschüchterungstaktik und Gesetzesübertretungen beim Einsatz und zuvor gegenüber den Festgenommenen. Die Polizei wies das im TAGBLATT von sich: Sie habe die Verdächtigen auf frischer Tat ertappt, zudem habe es jüngst zwei Farb- und einen Brandanschlag in Tübingen gegeben.

„Reine Machtdemonstration“?

„Unbewiesene Anschuldigungen“, sagte ein Bewohner der Lu15 gegenüber dem TAGBLATT. Für ihn sei der Dienstag in seiner Massivität eine reine Machtdemonstration gewesen. „Es ist zu erkennen, dass die Polizeidirektion Reutlingen die Lu15 als linksextrem und gewaltbereit einschätzt und das medial auch so darstellt“, hieß es am Freitag. Demgegenüber verstehe sich das Wohnprojekt als politische Alternative mit kulturellem und sozialem Angebot und einem Interesse an guten nachbarschaftlichen Beziehungen.

Friedlicher Verlauf der Demonstration

Polizei zu Pferd sieht man in Tübingen nicht alle Tage – am Freitagabend zählte man eine gute Handvoll berittene Beamte. Und auch abseits davon waren die Polizisten zwar mit zahlreichen Kräften auf der gesamten Demonstrationsstrecke und auch in angrenzenden Bereichen zugegen, hielten sich aber mit direkter Kräftedemonstration zurück (so trabten etwa die Berittenen der Demonstration erst ab der Neckarbrücke weit voraus). Bis zum Ende der Demonstration in der Altstadt blieb das Geschehen auf beiden Seiten unauffällig. „Es gab keine Straftaten“, berichtete ein Sprecher der Reutlinger Polizei gegen 22 Uhr. Der Einsatz sei aus Sicht der Beamten zufriedenstellend verlaufen.