Where to Invade Next

Where to Invade Next

Der amerikanische Doku-Star Michael Moore erkundet auf einer Reise durch Europa, was dort besser läuft als in den USA.

24.02.2015

Von Klaus-Peter Eichele

Where to Invade Next

Der neue Dokumentarfilm von Michael Moore („Bowling For Columbine“), mit dem er seine amerikanischen Landsleute von den Vorzügen Europas überzeugen möchte, kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, gibt der alte Kontinent doch gerade ein jämmerliches Bild ab. Die EU steht vor dem Zerfall, in vielen Ländern bricht sich Hass auf Flüchtlinge bis hin zu Pogromen Bahn, fast überall sind rechtsextreme Parteien auf dem Vormarsch. Ganz zu schweigen davon, dass in Griechenland das nackte Elend herrscht und in Spanien kaum ein junger Mensch Arbeit findet.

Aber wenn man, wie Moore auf seiner Erkundungsreise durch acht europäische Länder sowie nach Tunesien, selektiv vorgeht, findet man natürlich auch Vieles, wovon sich Amerika eine Scheibe abschneiden könnte. Beispiel Frankreich. Dort werden Schüler in der Mittagspause nicht mit Fast Food plus Coca Cola abgespeist, sondern bekommen ein so leckeres wie gesundes Vier-Gänge-Menü. Gut so!

Sobald sich Moore jedoch vom Feld der Kultur auf das der Sozialpolitik begibt, wird es tendenziös. In Italien und Deutschland lässt er privilegierte Arbeiter aus Vorzeige-Unternehmen von paradiesischen Arbeitsbedingungen und höchsten Sozialstandards schwärmen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Hartz IV oder die Tatsache, dass in vielen amerikanischen Staaten der Mindestlohn höher liegt als in Deutschland, werden verschwiegen.

In Finnland preist Moore das Schulsystem, das Kindern bewusst viel Freiraum für Spiel und Spaß einräumt. Davon, dass in fast allen anderen europäischen Ländern die jungen Leute vom zweiten Schultag an auf Leistung getrimmt werden, erfährt man nichts.

Mit derlei Rosinenpickerei überschreitet Moore zu oft die Grenze von der Polemik zur Propaganda, als dass man seinen Film, dies- oder jenseits des Atlantiks, noch Ernst nehmen könnte.

Gut, wenn Moore seinen Landsleuten die Leviten liest. Aber muss man deswegen Europa beschönigen?

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Erstellt:
24.02.2015, 16:10 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 53sec
zuletzt aktualisiert: 24.02.2015, 16:10 Uhr

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