Bom dia!

Wer rettet Rio vor dem Untergang?

Sportredakteur Wolfgang Scheerer berichtet von seinen Erfahrungen in Rio de Janeiro.

09.08.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Rio de Janeiro. Rio und die Umwelt – was alles an Zeilen ist darüber nicht schon in die (heiße) Luft geblasen worden! Nun war gerade auch bei der brasilianisch-bunten Eröffnungsfeier der Umweltschutz die große Botschaft. Stoppt die Erderwärmung und das Abschmelzen der Polkappen! Sonst steigt der Meeresspiegel, und auch das wundervolle Rio de Janeiro wird zum Teil untergehen. Also: Steckt Baum-Samen in den Boden! Zumindest das haben viele Athleten im Maracanãstadion getan und Korn für Korn in niedliche kleinen Röhrchen versenkt. Vielleicht hilft's.

Olympia des guten Gewissens serviert dazu außerdem Zahlen über Zahlen: Neun Fluss-Kilometer seien beispielsweise in der Stadt wieder in Schuss gebracht worden. Die hellgraue, vermüllte, zum Himmel stinkende Kloake unmittelbar am Südende des Olympiaparks im Stadtteil Barra zählt nicht dazu.

Trotzdem lesen sich die vielen statistischen Angaben umweltpolitisch so schön korrekt: 1600 Hektar habe man im Stadtgebiet wieder aufgeforstet vor den Sommerspielen, 9000 Tonnen Abfall würden jetzt täglich im neuen Müllzentrum verarbeitet. Um 60 Prozent sinke außerdem der Abgasausstoß durch neue Transportsysteme wie die olympische Metro. Überhaupt sei der Teil der Cariocas, der Bevölkerung Rios, mit Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln von 18 Prozent (im Jahr der Olympia-Vergabe 2009) auf aktuell 65 Prozent gestiegen. Zusätzlich werden, so heißt es, Emissionsrechte im großen Stil erworben – und das noch bis zum Jahr 2026.

Nichts verstanden? Die kleinen Blässhühner brasilianischer Ausführung sitzen in ihren Nestern und machen keinen Piep, während sich nur 100 Meter entfernt Zuschauerschlangen vor den Sicherheitsschleusen bilden. Übersetzt für die unerschütterlichen Wasservögel, die in besagter übel riechender, sich dahinquälender Flusskloake tatsächlich brüten, soll das heißen: Sie alle können – vielleicht – auf eine glücklichere Zukunft hoffen. Falls sie sie noch erleben.