Facebook&Co. · Eine kleine Betriebskosmetik

Immer mehr Reutlinger Traditionsbetriebe steigen auf Social Media ein · Wir haben uns umgehört

Vor vier Jahren, 2014, schlug Stefan Hüttl zum ersten Mal eine Facebook-Seite für „Anton Geiselhart“ vor. Der kaufmännische Leiter des Pfullinger Malerbetriebs erntete für diese „neumodische Idee“ zunächst wenig Zustimmung. „So einen Kruscht brauchen wir nicht“, habe es von vielen Seiten geheißen, erinnert er sich.

01.06.2018

Von Kathrin Kammerer

Instagram und Facebook: Immer mehr Reutlinger Traditions-Betriebe finden sich auf Sozialen Medien. Bild: Haas

Instagram und Facebook: Immer mehr Reutlinger Traditions-Betriebe finden sich auf Sozialen Medien. Bild: Haas

Als der Betrieb 2016 dann junge Schauspieler für zwei kurze Kino-Spots im Rahmen einer Image-Kampagne suchte, kam seine Idee wieder auf den Tisch – und wurde akzeptiert. 122 Facebook-Nutzer verfolgen aktuell, was Hüttl seit eineinhalb Jahren auf dem Geiselhart-Account veröffentlicht: Stellenanzeigen, Fotos von Azubi-Ausflügen, Betriebsjubilare, manchmal auch besonders gelungene Baustellen.

Ein großer Zeitaufwand

Die Facebook-Seite des Pfullinger Familienbetriebs steht stellvertretend für das, was kleine und mittelständische Unternehmen zunehmend versuchen: So wird die Betriebs-Homepage durch Facebook- und manchmal auch durch Instagram-Seiten ergänzt. Das sind zwei Soziale Netzwerke, auf denen man sich per Nachrichten-Funktion austauschen, etwas kommentieren oder auch einfach per Daumen- und Herz-Button seine Begeisterung ausdrücken kann. Auf Facebook tummeln sich durchschnittlich die Mittzwanziger und ältere Nutzer, während via Instagram auch die Jüngeren erreicht werden.

„Es kostet eine Menge Zeit, das regelmäßig zu betreiben“, resümiert Hüttl nach eineinhalb Jahren. Die Krux an der Social-Media-Geschichte ist: Auf Facebook und Instagram erreicht nur derjenige wirklich viele Menschen, der mindestens einmal täglich einen gut durchdachten Beitrag veröffentlich. „Dazu fehlt uns im Tagesgeschäft aber die Zeit“, sagt Hüttl. Und so hat die Geiselhart-Seite (wie auch die Seiten vieler anderer Reutlinger Traditions-Unternehmen) noch eine recht überschaubare Zahl an sogenannten Followern.

Nichtsdestotrotz: Im Malerbetrieb selbst sei langsam eine Akzeptanz für seine Social-Media-Sache gewachsen, sagt Hüttl. Manchmal schicken ihm Mitarbeiter sogar Fotos von besonderen Bauobjekten. „Wenn die dann gepostet werden, sind sie echt stolz“, sagt Hüttl. Erst vor wenigen Wochen war er auf einem Social-Media-Workshop. Da hat er gleich eine neue Idee aufgeschnappt: „Jetzt will ich auch eine Instagram-Seite machen“, sagt der kaufmännische Leiter. „Das ist nämlich die Altersgruppe, die wir beispielsweise für unsere Ausbildungsplätze erreichen wollen“.

Auf der Facebook-Seite der Bäckerei Berger finden sich hunderte Bilder von süßen Stückchen, Windbeuteln, Kuchen, Mutscheln und Brotlaiben. Hubert Berger und seine Tochter Sara sammeln hier seit 2013 Gefällt-mir-Daumen und Herzchen für die Leckereien aus Backstube und Konditorei. Seit 2017 hat Berger auch einen Instagram-Account, den zwei seiner Konditoren mit Bildern bestücken. Hier steht (ähnlich wie bei der Stadt-Seite, siehe „Mit Engelszungen“) die Ästhetik an erster Stelle.

Auf Facebook (515 Follower) dagegen gibt’s auch immer wieder einen Einblick in die Backstube, Angebote, Zutatenlisten und Rezepte. Auch Stellenanzeigen werden hier veröffentlicht. Der Zeitaufwand für die beiden Netzwerke halte sich in Grenzen, sagt Sara Berger. In einer Bäckerei stehe eben immer noch der reale Kontakt zum Kunden im Vordergrund. Ähnlich steht Brotsommelier Jörg Schmid zu den Sozialen Medien: „Das ist in unserer Branche eher Betriebskosmetik.“ Immerhin 1178 Facebook-Nutzer folgen der Seite seines Reutlinger Brotspezialitäten-Geschäfts Brot-Kult. „Für die klassische Bäckerei haben wir dagegen keine Facebook-Seite“, sagt er. Die meisten Kunden seien älter, und die erreiche man über dieses Netzwerk nicht.

Neue Form der Azubi-Werbung

Auf der Brot-Kult-Seite postet er, so oft er Zeit findet. „Aber das steht meistens hinten an“, sagt er. Viele Einträge weisen auf die „Wildbakers“ hin. Unter diesem Namen wirbelt Schmid gemeinsam mit Johannes Hirth das Bäckerhandwerk auf. „We love to Bakertain you“ ist das Motto der beiden Bäckermeister – frech wollen sie das Image ihres alten Handwerks auffrischen. Das scheint zu ziehen: Die Wildbakers-Seite hat 7309 Follower.

Auch die Reutlinger Metzgereien sind teilweise schon lange auf Facebook. 389 Follower beispielsweise hat die seit 2013 bestehende Seite von Oskar Zeeb. „Für eine Metzgerei ist das natürlich schwieriger von den Bildern her, als für einen Bäcker“, sagt Linda Niklas. Sie arbeitet zwei Tage pro Woche im Büro und investiert „so 40 Prozent der Arbeitszeit“ in die Sozialen Medien. „Ein süßes Stückchen ist halt schon attraktiver als ein rohes Stück Fleisch.“

Seit eineinhalb Jahren hat Zeeb auch einen Instagram-Account mit nun 171 Abonnenten. Über Facebook bekomme sie viel Resonanz, sagt Niklas: „Reklamationen, Rückfragen zu Produkten, auch einfach mal ein Lob.“ Auch die Werbeagentur von Zeeb poste ab und zu etwas auf der Facebook-Seite des Metzgers. „Da könnte man sicher noch mehr Zeit investieren“, sagt Niklas: „Aber so wichtig ist Facebook für unser Geschäft dann doch nicht.“

Auch Zeeb benutzt die Sozialen Medien für die Werbung um die rar gewordenen Azubis. Niklas hat sich dafür was besonderes einfallen lassen: So hat sie alle aktuellen Azubis fotografiert, und diese Bilder werbetauglich mit einem Statement zur Ausbildung hinterlegt: „Wir wollen damit auch ein bisschen dem Klischee entfliehen und zeigen, dass hier ganz normale junge Leute eine Ausbildung machen.“

Bei der Pliezhäuser Metzgerei Schneider gab Inhaber-Tochter Sarah Schneider den Anstoß zum Social-Media-Gang. Seit 2013 gibt’s ein Facebook-Profil mit mittlerweile 522 Followern, seit 2017 eine Instagram-Seite. „Wir müssen zeigen, dass wir mit der Zeit gehen“, findet Schneider. Und so hat auch sie ständig die Kamera parat, um Grillsteaks, Fleischküchle und Rote möglich instagramtauglich abzulichten. Für die Kommunikation sei Facebook super praktisch findet sie: „Nachrichten aller Art werden mittlerweile lieber hier geschickt als per E-Mail.“

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Erstellt:
01.06.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 32sec
zuletzt aktualisiert: 01.06.2018, 01:00 Uhr

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