Ärger mit dem Abschleppdienst

Wer darf falsch geparkte Autos kostenpflichtig entfernen?

Obwohl er sich mit dem Arzt abgesprochen hatte, wurde ein Mann ohne Ausweis vom Behindertenparkplatz abgeschleppt. Nun erwägt er zu klagen.

05.04.2018

Von Peter Strigl

Links der Brücke die Parkplätze der Poststraße, rechts die der Karlstraße. Das Schild am Baum warnt vorm Falschparken. Bild: Strigl

Links der Brücke die Parkplätze der Poststraße, rechts die der Karlstraße. Das Schild am Baum warnt vorm Falschparken. Bild: Strigl

Parkplätze in der Tübinger Innenstadt sind rar. Auch wer krank einen Arzt aufsucht, findet nicht immer einen Stellplatz in der Nähe der Praxis. So erging es Eberhard Schwaderer: Der Unterjesinger parkte notgedrungen auf dem Behindertenparkplatz eines Hauses in der Poststraße. Trotz Behinderung hatte er zu diesem Zeitpunkt keinen Ausweis bei sich, jedoch die Einwilligung seines Arztes.

Als Schwaderer zu seinem Wagen zurückkehrte, war der bereits unterwegs auf die Ladefläche eines Abschleppfahrzeugs. Daraufhin habe er widerwillig die gut 200 Euro bezahlt, berichtet Schwaderer. Anschließend fragte er bei den anderen Ärzten im Gebäude: Keiner wollte den Abschleppdienst gerufen haben.

Der Verantwortliche ist Mathias Mozer. Ihm gehört der Abschleppdienst, der in der Poststraße aktiv ist. Die Verwalter des Gebäudes hätten einen Parküberwachungsvertrag mit ihm abgeschlossen, sagt er. Deswegen fahre er zur Kontrolle vorbei, wann immer er in der Gegend sei. Die Hausverwaltung bestätigte dies auf Nachfrage des TAGBLATTs.

Wer darf eigentlich abschleppen lassen?

Doch Schwaderer will sich damit nicht zufriedengeben: Nur der Besitzer sei befugt, abschleppen zu lassen – und das seien die Mieter. Weil die Parkplätze der Gemeinschaft gehören, sei nur sie zum Abschleppen berechtigt. Mozers Anwalt Thomas Hartmann widerspricht. Als „mittelbarer Besitzer“ sei die Eigentümergemeinschaft durchaus befugt, die Hausverwaltung mit der Wahrung der Eigentumsrechte zu beauftragen. Im Klartext: die Stellplätze räumen zu lassen. Der Abschlepper sei lediglich verpflichtet, den Schaden gering zu halten, also keine unangemessenen Maßnahmen zu ergreifen.

Doch Hartmann habe ihm den Vertrag auf Nachfrage nicht aushändigen wollen, sagt Schwaderer. Ihm kommt auch verdächtig vor, dass er den gleichen Betrag zahlen musste wie ein anderer Patient, dessen Auto bis nach Reutlingen abgeschleppt wurde. „Das riecht vorne und hinten nach Betrug.“

Abschleppdienste gerieten zuletzt durch unlautere Geschäftspraktiken in Stuttgart in Verruf, wo Unternehmen ohne Auftrag Fahrzeuge einkassierten. So etwas gebe es bei ihm nicht, beteuert Mozer: „Ich gehe nur so weit, wie ich darf.“ Darum lege er auch Wert auf eine deutliche Kennzeichnung der Parkplätze.

Wie gleich nebenan auf dem angrenzenden Parkplatz hinter der Imbissbude und der Spielothek in der Karlstraße, den Mozer ebenfalls betreut. Die große Freifläche hinterm Haus verleite trotz der eindeutigen Beschilderung immer wieder zum Falschparken. „Die Schilder gibt’s seit drei Jahren in dieser Form“, sagt Jasmina Fridrich, die in der Spielothek arbeitet. „Das größte Problem ist der Arzt. Der sagt seinen Kunden, sie sollen hinten am Mäuerchen parken.“ Beide Parkplätze sind jedoch durch eine niedrige Mauer Richtung Steinlach begrenzt. Wegen des hohen Aufwands verlangt die Eigentümerin inzwischen eine zusätzliche Gebühr von 25 Euro.

Zwei- bis dreimal täglich abgeschleppt

Tatsächlich wissen die Beschäftigten der Arztpraxen und Geschäfte von zahlreichen Fällen zu berichten, in denen dort abgeschleppt wurde. Dort werde täglich zwei-, dreimal jemand mitgenommen, so eine Angestellte. Deswegen hätten einige Praxen auch schon Schilder in den Wartezimmern aufgehängt, die vorm Falschparken warnen.

Dadurch sieht Schwaderer sich in seiner Theorie bestätigt, dass es eine Art Deal zwischen den Besitzern in der Karlstraße und dem Abschleppdienst geben müsse, der nicht im Interesse der Ärzte liege. Auch dadurch, dass der LKW so schnell zur Stelle war. „Die kriegen da bestimmt eine Provision.“ Dann läge der Fall anders, erklärt der Tübinger Anwalt für Verkehrsrecht, Joachim Labsch: „Wenn es sich zu einem Geschäftsmodell entwickelt, wird es problematisch.“

Doch die Parteien im Haus scheinen zumindest teilweise mit der Abschlepppraxis einverstanden zu sein. Ein ansässiger Therapeut berichtet von fortwährenden Streitereien um die Nutzung der wenigen Plätze. Obwohl sie eindeutig für Kunden reserviert seien, stellten dort immer wieder Angestellte des Imbisslokals oder der Bar ihre Fahrzeuge ab. Darum findet es der Therapeut auch in Ordnung, wenn dort konsequent abschleppt wird. Eine Ärztin und ihre Sprechstundenhilfe äußern sich ähnlich.

Schwaderer beabsichtigt, gegen den Abschleppdienst zu klagen. Der wiederum gibt sich kampfbereit: „Vor einem Jahr hat schon mal einer geklagt. Der hat sang- und klanglos verloren.“