Altingen · Schaltjahr

Wenn nur alle vier Jahre Geburtstag ist

In Ammerbuch gibt es heute vergleichsweise besonders viele Geburtstagskinder. Gleich zwei der insgesamt zwölf am 29. Februar Geborenen leben in Altingen.

29.02.2020

Von Uschi Hahn

Wenn Daniel Bahlinger sagt, dass er „sieben“ ist, glaubt ihm das keiner. Bild: Anne Faden

Wenn Daniel Bahlinger sagt, dass er „sieben“ ist, glaubt ihm das keiner. Bild: Anne Faden

Es war 0.34 Uhr am 29. Februar 1984, als das Mädchen zur Welt kam und die Mutter bat sehr darum, die Geburt doch um die gute halbe Stunde auf den 28. vorzudatieren. Aber die Hebamme im Herrenberger Krankenhaus kannte kein Pardon. Der Tag sei schließlich etwas „ganz Besonderes“, habe man damals ihrer Mutter erklärt, berichtet Nicole Abendschön.

Abendschön ist als Kind zwischen Kayh, Altingen und Mönchberg hin und her gezogen. Seit ein paar Jahren lebt die Polsterin mit ihrem Mann und den beiden Kindern nun wieder in Altingen. Sie ist damit eine aus dem Dutzend Ammerbucherinnen und Ammerbuchern, die am heutigen 29. Februar ihren Geburtstag feiert.

Für eine Gemeinde der Größe sind zwölf an diesem, nur alle vier Jahre im Kalender stehenden Tag Geborene ganz schön viel. Laut Statistischem Bundesamt gibt es in ganz Deutschland nur 55 000 Schalttags-Geborene. Bei gut 80 Millionen Einwohnern macht das knapp 0,07 Prozent. Ammerbuch mit seinen gut 11 500 Einwohnern kommt dagegen auf etwa 0,1 Prozent Schalttagskinder: vier Frauen und acht Männer, der Älteste wurde 1948 geboren, die Jüngste 2012.

Zwei der Schalttags-Ammerbucher sind sogar im selben Jahr geboren: am 29. Februar 1992. Beides Jungs und beide aus Reusten. „Die vom Standesamt konnten das gar nicht glauben und haben extra nochmal bei uns zuhause angerufen“, berichtet Daniel Bahlinger, einer der zwei.

Inzwischen lebt auch Bahlinger in Altingen und feiert heute seinen Geburtstag ziemlich groß. Erst kommt die Familie vorbei, es gibt Kaffee, Kuchen und später noch ein Abendessen. Dann will der Wirtschaftsingenieur mit Masterdiplom noch „Party machen mit Freunden“.

Gefeiert wird bei Daniel Bahlinger aber jedes Jahr. Manchmal schon am 28. Februar, manchmal erst am 1. März. Es habe das „immer vom Wochentag abhängig“ gemacht, sagt der seit heute 28-Jährige. Freunde und Familie finden das in Ordnung. „Nur der Opa fand das nicht so gut“, wenn Bahlinger mal vorfeierte. Schließlich soll das ja Unglück bringen. Deshalb wohl gratulieren ihm die meisten Freunde und Bekannte in gewöhnlichen Jahren auch erst am 1. März.

Traurig sei er nie gewesen über sein besonderes Geburtsdatum. Er sieht es eher von der positiven Seite: „Jeder erinnert sich an einen, wenn man am 29. Februar Geburtstag hat“, ist Bahlingers Erfahrung. Außerdem macht es ihm Spaß, die Leute zu verwirren. So antwortet der 28-Jährige auf die Frage nach seinem Alter manchmal aus Scherz: „Sieben“, wie er erzählt. „Aber das glaubt einem ja eh keiner.“

Auch Nicole Abendschön nutzt ihren Ausnahmegeburtstag ab und an dazu, ihre Gesprächspartner aus dem Konzept zu bringen, wenn sie zum Beispiel so nebenbei fallen lässt: „Ich bin gespannt, ob ich meinen 20. Geburtstag noch erlebe.“ Das wäre dann ja immerhin der 29. Februar 2064, an dem die heute 36-Jährige 80 Jahre auf der Welt wäre.

Oder sie zieht ihre Mutter auf mit der Bemerkung: „Mensch, Du hättest auch schneller pressen können.“ Schließlich wird sie, die Tochter, auch „ständig gehänselt“ wegen ihres Geburtsdatums. „Aber es sind liebe Hänseleien“, wie Abendschön versichert.

Im Prinzip kann die Altingerin aber gut damit leben, dass es ihren richtigen Geburtstag nur alle vier Jahre gibt. „Es kann auch sein, dass ich gar nicht feiere“, bekennt sich Abendschön grundsätzlich eher als Geburtstagsmuffel. Wenn sie in den Jahren ohne Schalttag überhaupt feiert, verlegt sie die Party lieber vor. Sie findet nämlich, „dass ich im Februar Geburtstag habe“.

Rein rechtlich liegt sie damit allerdings falsch. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch werden die am 29. Februar Geborenen in Nichtschaltjahren so behandelt, als wären sie einen Tag später zur Welt gekommen. So wurde Abendschön juristisch betrachtet 2002 erst am 1. März 18 Jahre alt und damit volljährig. Ihr Mann dagegen besteht darauf, dass sie jedes Jahr etwas zu feiern hat. „Er sagt immer, dass ich von 0 bis 0:0:1 Uhr Geburtstag habe“, berichtet Abendschön über die kreative Sekundenlösung.

Heute jedenfalls wird sich Nicole Abendschön hochleben lassen. „Am 29. Februar besteht die Familie darauf, dass gefeiert wird“, sagt sie. Doch in vier Jahren wird ein Großteil der Familie auf sie verzichten müssen. Für ihren „zehnten Geburtstag“ hat die 36-Jährige nämlich schon jetzt einen Wunsch: die beiden Kinder „zu den Schwiegereltern geben und mit meinem Mann auf Kurzurlaub gehen“.

Im Gegensatz zu der Herrenberger Hebamme findet Nicole Abendschön jedenfalls nicht, dass ihr Geburtsdatum etwas Besonderes ist. „Es ist ein ganz normaler Geburtstag, nur seltener“, sagt die 36-Jährige über den Tag, der nur alle vier Jahre im Kalender steht. Und heute in Altingen gleich zwei Mal groß gefeiert wird.

Alle vier Jahre mit Ausnahmen

Das normale Jahr hat 365 Tage. Die Erde braucht aber 365,24 Tage, bis sie die Sonne einmal umrundet hat. Um das auszugleichen, wird alle vier Jahre ein Tag zusätzlich eingeschaltet, der 29. Februar. Weil der Ausgleich so aber auch nicht hinhaut, sind die Jahrhundertwenden, die sich nicht durch 400 teilen lassen, von der Vier-Jahres-Regel ausgenommen. Deshalb war 2000 ein Schaltjahr; im Jahr 1900 fiel der 29. Februar jedoch aus.

Der Schalttag Ende Februar wurde bereits zu Zeiten des Julianischen Kalenders eingeführt, als das Jahr noch mit dem März begann. Bei der Umstellung auf den Gregorianischen Kalender mit Jahresbeginn am 1. Januar wurde aber der 29. Februar als Schalttag beibehalten.

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Erstellt:
29.02.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 44sec
zuletzt aktualisiert: 29.02.2020, 01:00 Uhr

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