Tübingen · Vor der Premiere

Wenn der zarte Falter schillert

Das Zimmertheater hat jetzt im renovierten Saal des ehemaligen Kino Löwen eine vergrößerte Bühne zur Verfügung.

23.10.2020

Von ST

Peer Mia RipbergerBild: ITZ

Peer Mia RipbergerBild: ITZ

Mit der Inszenierung „Wie ein zarter Schillerfalter“ von Peer Mia Ripberger eröffnet das Zimmertheater am morgigen Samstag den renovierten, modernen Theatersaal im ehemaligen Kino Löwen. Mitten in der Tübinger Altstadt verfügt das Zimmertheater jetzt über eine große Bühne. Die ITZ-Neuproduktion kreist mit Choreographien, Kompositionen. Videokunst und lyrischen Texten um die Themen „Angst“ und „Habitus“. Dramaturg Ilja Mirsky führte vorab ein Gespräch mit Regisseur und Autor Peer Mia Ripberger.

Dier Produktion eröffnet die neue Spielstätte. Was bedeutet das für die Inszenierung?

Die inszenatorischen Möglichkeiten profitieren sehr von der Raumkonfiguration im Löwen: Wir haben eine schöne Spielfläche und gesunde Raumproportionen. Es gibt Möglichkeiten für das Theaterlicht und die Projektionen, die wir in den kleinen Räumen bisher nicht hatten. Und natürlich sind völlig andere szenografische Konzepte machbar.

Das fiese Wort mit „C“ hat uns aber natürlich sehr beschäftigt, weil diese „große Bühne“ durch die restriktiven Abstandsgebote sofort wieder klein geworden ist. Der Choreograf Edan Gorlicki hat hier eine choreografische Glanzleistung vollbracht, die das komplett vergessen macht. Unsere vier Schauspielerinnen und Schauspieler haben so den Raum und die Akustik sehr schnell in die Körper bekommen, auch mit Unterstützung unserer Sprachcoaches Fabian Eckenfels und Kristin Wunder.

„Wie ein zarter Schillerfalter“ erzählt die Gedankenwelt einer Protagonistin, die sich im Spannungsfeld von Selbstentfaltungsimperativ und gesellschaftlichen Distinktionsspielen aufreibt und darüber in eine existentielle Krise stürzt. Wie viel daran ist Gesellschaftskritik, wie viel ist soziales Drama, oder trifft es das überhaupt?

Das lässt sich so kategorisch nicht beantworten. Wir begleiten die Protagonistin durch sehr ehrliche, zerbrechliche, verwundbare Gedanken. Wir folgen ihrem Bewusstseinsstrom. „Wie ein zarter Schillerfalter“ ist ein lyrischer Text, mal strenger und mal freier im Umgang mit dem Versmaß. Mein Zugang zum Schreiben hängt immer davon ab, was im künstlerischen Prozess herausgefunden werden soll. Bei dieser Inszenierung liegt ein besonderer Fokus auf der literarischen Form.

Im shutdown hingen alle Wände voll mit Tafeln, an denen ich Silben gezählt und das Metrum geklopft habe. Diese hybride Reimform, die sich im Textverlauf ein- und ausschleicht, verweist auf die Sprachlosigkeit der Protagonistin angesichts überbordender selbst- oder fremdzugeschriebener Norm-Erwartungen.

Auf dieser Ebene ist der Text damit eo ipso Gesellschaftskritik, und nur in dieser Hinsicht auch soziales Drama. Formal ist hier aber nichts dramatisch, weder Text, noch Figuren oder Handlungsverlauf folgen diesem Schema. Wir feiern dieses Jahr die Dichter Hölderlin und Celan, und dass ich mich kopfüber in die Lyrik stürze, hat sicher auch damit zu tun, diesen Autoren und ihrem Schreiben auf die Spur zu kommen und ihnen eine bescheidene Reverenz zu erweisen.

Was bekommt das Publikum zu sehen?

Jedenfalls nicht den historischen Eichenboden aus dem Jahr 1902. Den haben wir der Mythenbildung halber unter einem Tanzboden verborgen. Es gibt ein großformatiges Videokunstwerk von Katarina Eckold zu erleben, und ein Bühnen- und Kostümbild von Raissa Kankelfitz, das die Gewandmeisterin Magdalene Buschbeck mit viel Aufwand realisiert hat. Konstantin Dupelius, der bei „WTF 1770 - Hölderlin//Beethoven“ reüssierte, hat eine starke Theatermusik komponiert, die eine dichte Atmosphäre erzeugt. Und unsere Technikabteilung erweckt all das mit großer Rafinesse am Samstag erstmals zum Leben.

Premiere mit Warteliste

Es spielen Anaela Dörre und Mario Högemann, dazu Katharina Rehn als Gast und Roman Pertl, der vom Staatstheater Augsburg ab dieser Spielzeit fest ins ITZ-Ensemble kam, stellt sich hiermit erstmals vor.

Die morgige Premiere ist ausgebucht. Man kann sich auf eine Warteliste eintragen (tickets@zimmertheater-tuebingen.de, 07071 92 73-33).

Das Hygienekonzept beinhaltet sechs H13-Reinraumluftfilter, Hygienestationen und eine strikte Begrenzung der Personenkapazität. Bei der Platzierung wird auf ausreichend Abstand geachtet, Gruppen wird das 5er- oder das 10er Wahlabo mit Nachlass empfohlen.

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Erstellt:
23.10.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 54sec
zuletzt aktualisiert: 23.10.2020, 01:00 Uhr

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