Verträge

Wenn der Vertreter klingelt

Niemand will Haustürgeschäfte. Die Belästigung ist groß, viele Abschlüsse sind ungewollt. Warum halten Firmen wie die Telekom daran fest?

17.02.2021

Von Thomas Veitinger

„Bitte hier, hier und hier unterschreiben“  dabei sind Haustürgeschäfte unerwünscht. Foto: ©Halfpoint/shutterstock.com

„Bitte hier, hier und hier unterschreiben“ dabei sind Haustürgeschäfte unerwünscht. Foto: ©Halfpoint/shutterstock.com

Wenn es unerwartet an der Tür klingelt, kann das ein freudiger Überraschungsbesuch der besten Freundin oder des Enkels sein. Vielleicht steht aber auch ein Mann in einer Jacke mit Telekom-Logo da und fragt: „Haben Sie schon schnelles Internet?“ Dann könnte es ein Mitarbeiter des Direktvermarkters Ranger Marketing & Vetriebs GmbH im Auftrag der Telekom sein, der einen Vertrag abschließen will. Ranger nennt sich selbst „eines der führenden europäischen Unternehmen für persönliche Kundenberatung im Direktvertrieb“. Zu den Unternehmen aus den Branchen Telekommunikation, Energie, Medien & TV gehören neben der Telekom „renommierte Produktpartner“ wie Eon, Innogy und Kabel Deutschland, ist auf der Internetseite des Vermarkters zu lesen.

Aber wer will schon ein Haustürgeschäft abschließen? Schließlich warnt die Polizei immer wieder von Betrügern, die sich Zutritt zu den Wohnungen verschaffen oder die Bewohner mit Verträgen über den Tisch ziehen.

Tatsächlich will das eigentlich so gut wie niemand. 98 Prozent von 1000 repräsentativ Befragten antworten in einer Umfrage der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) auf die Frage, „Sind Haustürgeschäfte eine gute Möglichkeit, um Verträge abzuschließen oder Produkte zu kaufen?“ mit: Nein.

„98 Prozent, das sind schon fast totalitäre Verhältnisse“, sagt ein Verbraucherschützer. „Wenn die Ablehnung so groß ist und Hausbesuche dennoch üblich sind, scheint die Branche nicht darauf verzichten zu können.“

Tatsächlich ist es schwer, neue Kunden für das Internet zu gewinnen. 92 Prozent der deutschen Haushalte sind schon angeschlossen. Telekommunikations-Unternehmen machen deshalb ihre Produkte billiger, schneller oder bündeln sie mit Telefon, Fernsehen, Pay-TV und Mobilfunk.

Die Telekom war 2020 mit 255 Millionen Euro der zehntgrößte Werbetreibende in Deutschland. Wer tagsüber zu Hause bleibe, sei deutlich anfälliger für Werbeterror am Telefon oder Haustürverträge, warnte vzbv-Chef Klaus Müller.

„Haustürgeschäfte haben ein hohes Belästigungspotenzial“, heißt es von den Verbraucherschützern. Unternehmen ließen doppelt so viele Direktvertriebler an Türen klingen als anrufen. In keiner Branche gebe es so viele ungewollte Vertragsabschlüsse wie bei Internet, Telefon & Co: Fast jeder fünfte Befragte habe in den vergangenen zwei Jahren einen Vertrag abgeschlossen, den er so nicht wollte. Das waren nicht nur Haustürgeschäfte, sondern auch Vertragsverlängerungen und Vermarktung via Anruf.

In Telekom-Internetforen finden sich Beschwerden über Ranger-Mitarbeiter, die aggressiv vorgingen und sagten, sie wollten Leitungen überprüfen – was laut Telekom überhaupt nicht ihre Aufgabe ist. Techniker tauchten nie unangemeldet auf.

Die Telekom versteht die Kritik nicht. „Der Wunsch von Bürgerinnen und Bürgern, zu Hause beraten zu werden, ist nach wie vor signifikant und macht für viele Kunden auch Sinn“, heißt es von der Pressestelle. Deshalb werde Direktmarketing weiterhin eine Rolle spielen. Die Storno-Quote des Direktvertrieb sei genauso niedrig wie die anderer Vertriebskanäle; die Gründe seien meist nicht Art und Weise des Gespräches oder Auftreten der Berater, sondern Vertragspunkte.

Die Außendienstler tragen laut Telekom einen Ausweis und hätten ein Autorisierungsschreiben dabei, das auf eine Autorisierungshotline (0800-8266347) verweise. Im übrigen rufe die Telekom nach jedem Vertragsabschluss an und erläutere dem Kunden nochmals, welche Kosten hierfür entstehen. „Die Qualität der Beratungen unserer Subunternehmer wird regelmäßig von unserem Qualitätsmanagement überprüft.“ Zudem bestehe für zwei Wochen die Möglichkeit, den Vertrag zu widerrufen.

Für die Verbraucherschützer ist das zu kurz. Sie wünschen sich 30 Tage, weil Vertragsnehmern oft erst nach einiger Zeit klar wird, was sie unterschrieben haben. Eine EU-Richtinlie von 2019 überlasse es den Mitgliedsländern, wie sie mit der Widerruffristen umgingen. Deutschland habe sich leider für zwei Wochen entschieden, heißt es vom vzbv. Haustür-Geschäfte seien zudem nicht explizit im Gesetzestext aufgeführt. „Da müsste die Politik aktiv werden.“

Wenn der Vertreter klingelt

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Erstellt:
17.02.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 49sec
zuletzt aktualisiert: 17.02.2021, 06:00 Uhr

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