Kino

Wenn Millionärinnen Fenster putzen

Ein Besuch am Originalschauplatz von „Frühstück bei Tiffany“ in der Fifth Avenue.

11.11.2019

Von JÜRGEN KANOLD

Schaufenster-Dekoration bei Tiffany & Co. Foto: Jürgen Kanold

Schaufenster-Dekoration bei Tiffany & Co. Foto: Jürgen Kanold

New York. Wenn Holly Goligthly vom „roten Elend“ befallen wird, von dieser unbestimmten Angst vor der Welt, wie das Truman Capote so melancholisch beschreibt, dann fährt sie zu Tiffany & Co. in die Fifth Avenue. „Das beruhigt mich sofort, da ist es so still, und alles sieht so vornehm aus; dort kann einem nichts Schlimmes zustoßen . . .“ Luxus hilft. Selbst beim Putzen?

Es ist eine der zauberhaftesten Szenen der Filmgeschichte: Manhattan im Morgengrauen, menschenleer, „Moon River“ ertönt romantisch mit Mundharmonika und Streichern, und eine verträumte Audrey Hepburn, die Elfengleiche, steigt aus dem Taxi. Langes schwarzes Cocktailkleid, hochgesteckte Frisur, Perlenkette, Sonnenbrille. Sie beißt in ein Croissant, trinkt einen Schluck Kaffee aus dem Pappbecher und betrachtet die Auslagen im Schaufenster. So leicht, so elegant beginnt „Frühstück bei Tiffany“, dieser Film von Blake Edwards, der am 2. Oktober 1960 auch am Originalschauplatz in New York gedreht wurde.

Tiffany & Co., 727 Fifth Avenue, ist ein Muss für die Filmliebhaber unter den New-York-Touristen. Der Blick ins Schaufenster verdirbt einem aber dann doch den Appetit. Mehr Dekadenz geht nicht. Die Dekoration widmet sich aktuell der Hausarbeit, offenbar hat das Personal auch mal frei. Die Millionärsfrau von heute jedenfalls könnte auch die Fenster putzen – aber gewiss nicht ohne Schmuck. Das Reinigungsmittel „Sparklean“ verspricht „brillantes Funkeln“, aber wenn die Dame schon einen gelben Gummihandschuh anzieht, um zur Tat zu schreiten, müssen trotzdem Ringe mit Brillanten am Finger stecken. Ein zynischer Kaufanreiz.

Drinnen im Laden sieht es so aus wie im Film: Freundliche Herren bewachen panzerglasdicke Vitrinen. In einer Ecke nicht weit vom Eingang hängt ein Schwarzweiß-Foto von Audrey Hepburn mit der Szene, wie sie ins Schaufenster blickt. Daneben ist auch ein Brief der Schauspielerin gerahmt, mit dem sie 1987 den Juwelier zum 150-jährigen Bestehen beglückwünschte. „Wer kann schon sagen, dass er Kaffee und Croissants bei Tiffany's bekommen hat – eine Erinnerung, die ich nie vergessen werde.“

Im Film hat der arme, in Holly verliebte Paul (George Peppard) nur das Geld für die Gravur eines Blechrings. Audrey Hepburn, die Schauspielerin, ließ sich damals freilich zu Werbezwecken mit dem „Schlumberger-Collier“ fotografieren, zu der der damals größte Diamant der Welt (128,54 Karat) gehörte – das war der Deal für die Dreherlaubnis gewesen, wie Sam Wasson in seinem Buch „Verlieben Sie sich nie in ein wildes Geschöpf“ berichtet. Auch ein absurd luxuriöser Aufputz. Jürgen Kanold