„Kommet, den lieblichen Boris zu schau’n“

Weniger Zoten und mehr Witz bei der 57. Feuerwehrkneipe

Bei der 57. Tübinger Gästekneipe unterhielt Landrat Joachim Walter mit einer Satire auf Boris Palmer und seine Äußerungen über Frauen.

13.11.2017

Von Gernot Stegert

Die Tübinger Stadtgarde zu Pferde spielte bei der Gästekneipe der Feuerwehr auf. Bild: Faden

Die Tübinger Stadtgarde zu Pferde spielte bei der Gästekneipe der Feuerwehr auf. Bild: Faden

Was haben US-Präsident Donald Trump, Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer und das SCHWÄBISCHE TAGBLATT gemeinsam? Sie alle bekamen bei der Feuerwehrkneipe am Freitagabend ihr Fett ab. Viele Spitzen, viel Ehr. Die Fahrzeughalle der Feuerwehr war auch dieses Jahr rappelvoll. Die Gäste von Feuerwehr, aus Gemeinderat und Stadtverwaltung, Wirtschaft, Vereinen und Verbindungen saßen eng gedrängt an langen Holztischen bis in den Samstag. Allein das Programm ging bis Mitternacht.

Durch den Abend leitete wie die Vorjahre Matthias Maser als Kneipwart. Locker führte er durch das ritualisierte Geschehen (siehe unten). Nach einer ersten Begrüßung stimmte er das Auftaktlied an:

Wir sind hier versammelt zu löblichem Tun,

drum Brüderchen, ergo bibamus.

Die Gläser, sie klingen, Gespräche sie ruhn,

beherziget: ergo bibamus.

Mit einem „Das Lied steht“ beendete Maser den kräftigen Gesang, bei dem die Männerstimmen dominierten. Der Frauenanteil wächst aber Jahr für Jahr.

Feuerwehrkommandant Michael Oser erzählte unter anderem folgenden Witz: „Fragt ein Mann: ,Sie sind Zwillinge?‘ ,Nein, warum?‘ ,Weil Sie gleich angezogen sind.‘ ,Okay, das reicht. Den Führerschein bitte!“

Nicht mehr oder weniger Alkohol als anderswo

Beim Thema Alkohol fühlte sich die Feuerwehr nach dem TAGBLATT-Bericht über die Kneipe im Vorjahr falsch verstanden, weil viel vom Bier die Rede war. Maser erklärte: „Bei der Feuerwehr wird nicht weniger, aber auch nicht mehr als anderswo getrunken.“ Etwa bei Sportvereinen. Und einige Kameraden würden bei der Feuerwehrkneipe den ganzen Abend nichts trinken. Sie seien nämlich in Einsatzbereitschaft.

Schon eine Feuerwehrverordnung von 1803 verbot Bier während einer Übung oder eines Einsatzes, sagte Alt-Kreisbrandmeister Karl Hermann dann. Und ergänzte mit trockenem Humor: „Nach dem Einsatz stand ihnen aber ein Liter je Person zu.“ Diese Verordnung sei noch nicht aufgehoben. Die Stadt könne ja die Getränke der Feuerwehrkneipe bezahlen. Worauf Palmer kurzerhand zusagte, einen Liter pro Person zu übernehmen.

Keine weichgespülten Sonntagsreden

„Feuerwehr first“ sei das von Trump entlehnte Motto des Abends, sagte Maser. Er sprach von 450 Alarmierungen im Jahr allein bei der Abteilung Stadtmitte. Bei „großen Veränderungen“ mahnte er für die Freiwillige Feuerwehr gegenüber der beruflichen an: „Wir fordern ein, aktiv in Veränderungsprozesse eingebunden zu sein.“ Eine zweite Spitze gegen das TAGBLATT teilte Maser bei der Begrüßung von Martin Rosemann aus. Der SPD-Bundestagsabgeordnete wurde die vergangenen beiden Jahre für Witze unter der Gürtellinie kritisiert, auch in vielen Leserbriefen. „Wir freuen uns, wenn Politiker keine weichgespülten Sonntagsreden halten“, sagte der Kneipwart. Selbstverständlich gebe es eine Grenze des guten Geschmacks, diese verlaufe aber bei jedem anders und sei fließend. Selbstironisch fügte Maser an: Die Feuerwehr überlege einen der von Trump geschassten Pressesprecher einzustellen. Der könne dann unabhängig von Fakten verkünden, dass Tausende von Teilnehmern den besten Reden aller Zeiten applaudiert hätten.

Drohender TAGBLATT-Verriss

Rosemann blieb mit seinen Witzen diesmal über der Gürtel- und Geschmackslinie. Sexuelles kam nur einmal vor: Kommt ein Mann verspätet zur Arbeit und sagt, nach dem Grund gefragt: „Ich werde Vater.“ Der Chef fragt: „Wann?“ Der Mann: „In neun Monaten.“ Dafür hatte der SPD-Abgeordnete noch einen TAGBLATT-Witz auf Lager: „Zwei Redakteure unterhalten sich. Sagt der eine: ,Mein Dreijähriger hat die Zeitung mit dem Bericht über die Feuerwehrkneipe zerrissen.‘ Darauf der andere: ,Wieso, kann der schon lesen?‘“

Eine Spitze teilte auch Boris Palmer aus. „Die Feuerwehrkneipe und ich haben eines gemeinsam: Sagst du ein falsches Wort, wirst du im TAGBLATT zerrissen.“ So habe er auch keinen Witz dabei, worauf ein gespielt-enttäuschtes „Ooh“ erklang. Dafür las der Oberbürgermeister eine Hymne von Ottilie Wildermuth auf die Feuerwehr vor und erhielt viel Beifall.

Joachim Walter: „Landrat der Stadt Tübingen“. Bild: Metz

Joachim Walter: „Landrat der Stadt Tübingen“. Bild: Metz

Dennoch musste Palmer einstecken. Landrat Joachim Walter sagte sich „Von Rosemann lernen, heißt siegen lernen“ und griff Pikantes auf. Er nahm sich satirisch den OB und sein Verhältnis zu Frauen vor. Seine Sketchidee: Der Landrat nimmt dem mit Facebook ausgelasteten Oberbürgermeister ein paar Telefonate ab.

Zuerst meldet sich eine Alice. Gemeint ist Schwarzer. Sie will Palmer zum „Ritter der Frauenlegion“ machen. Dann ruft nochmal eine Alice an: Weidel von der AfD. Aber den Aufnahmeantrag habe „der Boris“ zerrissen, teilte Walter ihr mit. Dann ist ein blondes Mädchen dran. Ihren Namen will sie nicht sagen. Sie sei auch nicht allein. Es seien Hunderte. Aber ein grüner Professor sei der Vater. Auch verrät sie nicht, wo sie wohnen. „Nur soviel, 60 arabische Männer wohnen in zwei Kilometern Entfernung.“ Schließlich ruft Ingrid (Fischer, CDU-Stadträtin) an. Sie empört sich über einen Satz, mit dem die „Süddeutsche Zeitung“ Palmer zitiert hat: „Wir Männer brauchen ab und zu eine Frau, damit wir nicht verwahrlosen.“ Da sei „der Boris“ verkürzt zitiert worden, beruhigt der „Landrat der Stadt Tübingen“, so sein Namensschild.

Zwischen den Anrufen ließ Walter nach der Melodie „Kommet ihr Hirten“ singen: „Kommet, ihr Bürger, ganz besonders ihr Frau’n / Kommet, den lieblichen Boris zu schau‘n. / Ihn hat die Welt zum Retter erkoren. / Ohne ihn wärn wir völlig verloren.“ Palmer machte teils gute Miene zum Spiel, teils lachte er herzhaft mit.

Politische Fortbildung

Zoten gab es dieses Jahr wenige. Erste Bürgermeisterin Christine Arbogast erntete sogar für ihre politische Fortbildung viele Lacher. So erklärte sie, was Konservatismus, Sozialismus und so weiter sind am jeweils gleichen Ausgangspunkt: Ein Bauer hat zwei Kühe und der Nachbar keine. Zwei Beispiele von fast 20 seien genannt. In der Sozialdemokratie gelte: „Sie fühlen sich schuldig und wählen Leute in die Regierung, die Ihre Kühe besteuern. Sie fühlen sich rechtschaffen. Udo Lindenberg singt für Sie.“ In der Bürokratie werde die eine Kuh erschossen, die andere gemolken und die Milch verschüttet.

Die „Fuchsenstall“ genannte Jugendabteilung hat stets ein kleines Stück für das Ende des Abends vorbereitet. Dieses Mal war es ein Ratespiel mit einem „Donald Trumpf“ und einer Raute zeigenden „Mutti“. Es wurde jäh beendet durch den Lärm von Bauarbeitern, eine Anspielung auf Tübinger Verkehrsverhältnisse. Neuer Leiter des Fuchsenstalls ist Robert Köllner. Er löste Martin Löffler ab, der nach fünf Jahren aus beruflichen Gründen aufhörte.

Die Feuerwehrkneipe

Gästekneipe heißt der jährliche Höhepunkt im Kalender der freiwilligen Feuerwehr eigentlich, dieses Jahr schon zum 57. Mal. Sie lehnt sich an Traditionen der Studentenverbindungen an. So gibt es Übernahmen bei der Wortwahl, beim Liedgut und bei Trinkritualen. Im Vordergrund aber steht der Humor, beim Kneipwart genannten Moderator wie bei allen Gastrednern. Der Abend hat eine feste Struktur. Die Begrüßung eines Gastes oder einer Gästegruppe wird stets mit ein, zwei Witzen verbunden. Den Wortbeiträgen folgt jeweils ein Lied und ab und zu ein „Prost Corona“. So ziehen sich die Begrüßungen als roter Faden durch das Programm bis zum Ende.

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Erstellt:
13.11.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 25sec
zuletzt aktualisiert: 13.11.2017, 01:00 Uhr

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