Koalitionsvertrag

Weniger Kohle, mehr Cannabis

Alles auf Fortschritt? Die Parteien der künftigen Ampelregierung haben ihre Pläne vorgestellt. Eine Übersicht über einige der zentralen Vorhaben. Von unseren Korrespondenten

25.11.2021

Von André Bochow, Guido Bohsem, Michael Gabel, Dominik Guggemos, Ellen Hasenkamp, Stefan Kegel, Dieter Keller, Claudia Kling, Igor Steinle, Dorothee Torebko

Der Anführer des Ampel-Bündnisses, Olaf Scholz (SPD), stellt den Koalitionsvertrag der drei Parteien vor.  Foto: Michael Kappeler/dpa

Der Anführer des Ampel-Bündnisses, Olaf Scholz (SPD), stellt den Koalitionsvertrag der drei Parteien vor. Foto: Michael Kappeler/dpa

Startschuss für die Ampel-Regierung: Am Mittwoch präsentierten SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag. Ein Blick auf wichtige Änderungen in den kommenden vier Jahren:

Raus aus der Kohle, rein in Erneuerbare Energien: Der Klimaschutz ist eines der Hauptthemen der künftigen Ampelregierung. „Wir werden national, in Europa und international unsere Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik auf den 1,5-Grad-Pfad ausrichten“, heißt es im Koalitionsvertrag. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll beschleunigt werden und dafür Planungen vereinfacht werden. Am Ausstieg aus der Atomenergie hält die Ampel fest und will „beschleunigt“ die Kohleverstromung einstellen. Mit einem strikten früheren Kohleausstieg als dem vereinbarten Jahr 2038 konnten sich die Grünen allerdings nicht durchsetzen. Es ist nur noch davon die Rede, den Ausstieg „idealerweise“ bis 2030 zu schaffen. Um die betroffenen Kohleregionen will sich die neue Regierung kümmern.

Stabile Rente, aber kleinere Steigerungen als erwartet: Den Rentnern droht eine Enttäuschung: Ihre Renten sollen am 1. Juli 2022 nicht um über fünf Prozent steigen, wie zuletzt prognostiziert wurde, sondern nur halb so stark. Denn schon 2022 soll der sogenannte Nachholfaktor wieder aktiviert werden, mit dem eigentlich nötige Rentenkürzungen in späteren Jahren nachgeholt werden. 2021 hätte das eigentlich passieren müssen. Die zentrale Botschaft beim Thema Altersversorgung heißt allerdings: „Das Rentenniveau wird gesichert“, und zwar bei mindestens 48 Prozent.

Bis 2025, also bis zum Ende der Legislaturperiode, dürfte das kein Problem sein: Im am Mittwoch veröffentlichten Rentenversicherungsbericht werden für 2025 sogar 49,2 Prozent prognostiziert. Der Beitragssatz von aktuell 18,6 Prozent soll nicht über 20 Prozent steigen – das ist auch nicht schwer zu bewerkstelligen. Zudem will die Ampel die „Aktienrente“ einführen, eine Kapitalanlage in einem „dauerhaften Fonds“. Dafür sollen „in einem ersten Schritt“ zehn Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln kommen – wann, ist offen.

Schiene vor Straße: Diesem Motto hat sich die Ampel in der Mobilität verschrieben. Der Schienenverkehr wird so wichtig wie noch nie. Die Koalition will das Bahnnetz erweitern, Strecken reaktivieren und den Ausbau des Netzes beschleunigen. Der Marktanteil der Schiene am Güterverkehr soll von derzeit 19 auf 25 Prozent bis 2030 steigen. Im Personenverkehr soll die Verkehrsleistung verdoppelt werden. Die Priorität soll auf dem sogenannten Deutschlandtakt liegen. Dazu will die Ampel „erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren“. Wenn es nach den Koalitionären geht, sollen mehr Städte an den Fernverkehr angebunden werden. Eine Zerschlagung der Bahn wird es nicht geben, dafür aber eine Reform.

Der Öffentliche Nahverkehr kann sich über Geld freuen. Die für den Ausbau des Bus- und Bahnnetzes wichtigen sogenannten Regionalisierungsmittel werden ab 2022 erhöht. In Sachen Autoverkehr ist alles auf Elektromobilität ausgerichtet. 2030 sollen 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen fahren. Damit das klappt, soll der Ausbau der Ladeinfrastruktur beschleunigt und entbürokratisiert werden. Vor allem ein Netz an Schnellade-Möglichkeiten soll zügig entstehen.

Wählen mit 16: Die Ampel will wie angekündigt das Wahlalter bei Europa- und Bundestagswahlen von derzeit 18 Jahre auf 16 Jahre absenken. Für die Europawahl ist dafür nur eine Gesetzesänderung notwendig, Vorbild ist Österreich, wo Jugendliche bereits ab 16 Jahren an der alle fünf Jahre stattfindenden Wahl zum Europaparlament teilnehmen dürfen. Das Wahlalter für Bundestagswahlen ist dagegen im Grundgesetz festgeschrieben: Die dafür erforderliche Zweidrittel-Mehrheit dürfte wegen der Bedenken der Union schwer erreichbar sein.

Zudem wollen die Koalitionäre das seit zwei Legislaturperioden ungelöste Problem des Wahlrechts lösen. Es soll „innerhalb des ersten Jahres“ überarbeitet werden. Ziel soll es sein, den inzwischen auf weit über 700 Abgeordnete angewachsenen Bundestag wieder „in Richtung der gesetzlichen Regelgröße“ von 598 zu verkleinern.

Legaler Verkauf von Cannabis: Künftig können die Konsumenten von Cannabis ihre Droge ganz legal im Geschäft kaufen. Die Koalition will laut Vertrag eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene einführen – zu Genusszwecken. Das soll in eigens lizensierten Geschäften geschehen. So soll die Qualität des Rauschmittels kontrolliert und der Jugendschutz erhöht werden – derzeit wird der Besitz von Cannabis toleriert, je nach Bundesland in unterschiedlicher Höhe. Der Verkauf und Handel ist aber verboten, weshalb die Güte des Stoffs nicht kontrolliert werden kann und auch nicht die Abgabe an Jugendliche. Die Werbung für Nikotin, Alkohol und Cannabis soll eingedämmt werden.

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Erstellt:
25.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 10sec
zuletzt aktualisiert: 25.11.2021, 06:00 Uhr

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