Archäologie
Weltstar aus dem Eis
Vor 30 Jahren wurde der Ötzi gefunden. Die rund 5300 Jahre alte Mumie gibt noch immer Rätsel auf. Wissenschaftler hoffen auf neue Funde.
Der Fund vor 30 Jahren durch das Nürnberger Ehepaar Helmut und Erika Simon auf dem 3200 Meter hohen Tisenjoch an der österreichisch-italienischen Grenze wurde zur Sensation. Eine so gut erhaltene Mumie samt Bogen und Kupferbeil sowie vielen anderen steinzeitlichen Ausrüstungsgegenständen ist ein Glücksfall für die Wissenschaft. Auf weitere Glücksfälle hoffen die Experten. „Der Klimawandel kommt uns entgegen, wenn es darum geht, neue Gletschermumien zu finden“, sagt Archäologe Leitner, der Ötzi lange wissenschaftlich begleitet hat.
Bergsteiger Reinhold Messner bekam die Mumie früh zu Gesicht. „Mir war sofort klar, sie könnte einige Tausend Jahre alt sein“, erinnert er sich bei einem Ortstermin. Als der Mann aus dem Eis im Institut für Gerichtliche Medizin in Innsbruck landete, zeichnete sich die spektakuläre Dimension des Fundes ab. 4000 Jahre alt, lautete das erste Urteil der Experten, das dann noch nach oben korrigiert wurde. Ein österreichischer Journalist fand den passenden Namen: Ötzi.
1998 wurde die Mumie Südtirol übergeben. Ötzi lag knapp auf italienischem Gebiet. 92 Meter entschieden darüber, wer den Mann aus dem Eis ausstellen durfte. Das eigens für die Mumie geschaffene Bozener Archäologie-Museum besuchen rund 300 000 Menschen im Jahr. Und es sollen mehr werden. Ein neuer Ausstellungsort soll geschaffen werden. Die Standortfrage wird wohl nächstes Jahr geklärt.
Ötzi hat die Wissenschaftsszene in Bozen verändert. Es wurde ein Institut für Mumienforschung gegründet, geleitet vom Münchner Biologen Albert Zink. Der Kenner ägyptischer Mumien sieht im etwa 45-jährigen Ötzi einen athletischen Mann. Studien zu dessen Gesundheitszustand hätten zwar Laktose-Intoleranz, Zahnprobleme, Anlage zu Herz-Kreislauferkrankungen, Gallensteine und Rheuma ergeben. „Aber das verbreitete Bild vom kranken Mann würde ich nicht unterschreiben“. Ötzis untersuchte Darmflora zeuge von einer günstigen bakteriellen Vielfalt. Dieser Forschungsansatz habe Relevanz für das Verständnis der Rolle des Darms im menschlichen Immunsystem.
Experten der Kriminalpolizei München gehen inzwischen davon aus, dass Ötzi aus Heimtücke und nicht aus Habgier ermordet wurde, da das damals extrem wertvolle Kupferbeil nicht geraubt wurde. Das Beil beweise zudem, dass Ötzi Teil der damaligen Elite gewesen sein muss, so der Archäologe Leitner.
Ein Beispiel dafür, dass es in der Ötzi-Forschung auch nach zehn Jahren noch Überraschungen gibt, ist die Pfeilspitze. Diese steckte tief in Ötzis Gewebe und wurde erst auf neuen Röntgenbildern erkannt. Die Spitze verletzte eine Arterie, so dass Ötzi verblutete.