Welche Liebe ist erlaubt?

Svenja Jung und Eleonore Weisgerber im Tübinger Atelier

Im Atelier sprachen die Schauspielerinnen Svenja Jung und Eleonore Weisgerber über den Film „A Gschicht über d’Lieb“.

06.09.2019

Von Brana

Die Schauspielerinnen Svenja Jung (links) und Eleonore Weisgerber vor dem Kinoplakat. Bild: Anne Faden

Die Schauspielerinnen Svenja Jung (links) und Eleonore Weisgerber vor dem Kinoplakat. Bild: Anne Faden

Tradition und harte Landarbeit regieren in „A G'schicht über d'Lieb“ das Leben der Geschwister Gregor und Maria. Anlässlich des Deutschlandstarts des Films am 29. August touren bis zum 8. September die Schauspieler und Regisseur Peter Evers durch den Südwesten und stehen ihrem Publikum Rede und Antwort. Am Dienstagabend lud Arsenal-Chef Stefan Paul die Jungbäurin und ihre Magd (gespielt von Eleonore Weisgerber) zu einer Stippvisite ins Kino Atelier. Während drinnen 15 Zuschauer den lauen Sommerabend dazu nutzten, die einfühlsam inszenierte Dorfwelt zu erleben, sprach draußen das TAGBLATT schon mal mit den beiden.

Und darum geht es im Film: Nachkriegsdeutschland um 1950: Altbauer Bacher (Thomas Sarbacher) plant, dass entweder Sohn Gregor (Merlin Rose) oder, als dieser lieber eine eigene Tankstelle eröffnen möchte, so doch zumindest seine Tochter Maria (Svenja Jung) den Hof übernehmen soll. Zuerst muss die junge Frau sich aber noch mit einem der Jungspunde im fiktiven baden-württembergischen Dorf Sankt Peter verloben, in dem sich alle gut kennen und wo der soziale Konformitätsdruck gewaltig scheint. „Ich mach' des net“, sagt Gregor eingangs noch zur Schwester, als diese mehr als geschwisterliche Zuneigung entwickelt. Doch spricht sich das Gerücht von der verbotenen Liebe bald herum, und die dörfliche Ordnung implodiert.

Der große Unterschied zur heutigen Zeit liege in den festen Lebensstrukturen begründet, gegen die Gregor und Maria aufbegehren, erklärte Jung. Die Grenzen der erlaubten Liebe seien damals weitaus enger gefasst gewesen. „Wir können sehr froh sein, dass wir nicht mehr in diesen restriktiven Zeiten leben“, machte sich Weisgerber für die gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen stark. Die selbstbewusste Maria verkörpere eine Figur, die mit „Mut und Tapferkeit“ gegen den vorgeschriebenen Strom schwimmt und sich dadurch unvermeidlich Feinde einhandelt. Eine junge Frau, die in Eigenregie und ohne einen Mann an ihrer Seite einen Bauernhof führt – das sei Mitte des 20. Jahrhunderts undenkbar gewesen.

Welchen Tipp die Schauspielerinnen der Filmfigur Maria aus heutiger Sicht geben würden? Sie solle für ihre Besserstellung kämpfen, fand Weisgerber. Ihre 26-jährige Kollegin sagte, auch bei dem nur 22 Tage dauernden Dreh habe sie sich gegenüber ihrer Figur wie eine gute Freundin positioniert, ihr Mut zugesprochen, ihre Frau zu stehen. Die Magd funktioniere im Film wie eine gegenläufige Vergleichsfolie zur Jungbäuerin, sagte Weisgerber. Die ältere Frau habe einige der schmerzhaften Erfahrungen bereits gesammelt, in welche die unkonventionelle Jüngere gerade hineinschlittert (Spoiler: Am Ende des Films wird ein Magd-Schänder per Flinte im Wald erschossen – ein „Happy End“ oder simples Ventil, um die Rachsucht sowohl von Dörflern wie auch der Zuschauer zu tilgen?). In der halbstündigen Fragerunde nach 97 Minuten Dorftragik lobte eine Zuschauerin Weisgerber denn auch für „das verbitterte, über Jahrzehnte reingefressene Unglück“, das die 72-jährige verkörperte.

Welcher süddeutsche Dialekt da nun eigentlich gesprochen werde, fragte eine andere Zuschauerin. In ihrem knapp einmonatigen Sprachkurs habe ein Sprach-Coach den Schauspielern einen extremen „Fantasiedialekt“ beigebracht, sagte Jung. Diesen hätten sie auch nach Drehschluss beibehalten. Im Museumsdorf des Hohenloher Freilandmuseums Wackershofen und auf der Kleincomburg, wo vor zwei Jahren der Großteil des Films abgefilmt worden sei, habe die Crew damit ungläubige Blicke anderer Besucher geerntet.

Auch einige Dreh-Anekdoten lieferten die beiden Schauspielerinnen: Der mehrtägige Bauernhof-Workshop, bei dem die Film-Bauern im Traktorfahren, Heuen und Haushalten geschult wurden, sei durch eine Kalbsgeburt gekrönt worden, die auch im Film zu sehen ist. Während Bruder und Schwester im Stall über ihre Gefühlslage beraten, kommt ein Kalb zur Welt. Und es seien die Arme von Schauspieler Rose, die das Neugeborene in die Welt ziehen, sagte Jung, denn ein Bauer habe diesen kurzerhand zur Geburt hinzugerufen und ihm Anweisungen für die richtigen Handgriffe gegeben. Das Kalb trage nun den Vornamen des Schauspielers.

Für das Drehbuch erhielt Evers 2014 den Thomas Strittmatter-Preis. Die „G'schicht“ lasse sich in die „art house“-Tradition und die des Neuen Deutschen Films einordnen, fand Filmkenner Paul. Neo-Heimatproduktionen hätten Konjunktur und zögen auch Leute ins Kino, die sonst mit der Filmindustrie fremdelten. Schwäbisch liege im Trend, schon seit „Daheim sterben die Leut'“ (1985) oder auch mit der Fernsehserie „Die Kirche bleibt im Dorf“ (2013). Ein aktueller bayrischer Heimatkrimi sei der „Leberkäsjunkie“.

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Erstellt:
06.09.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 06.09.2019, 01:00 Uhr

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