Übrigens

Weihwasseräquator oder Fasnetslinie?

Mitten im Rammert, auf dem Radweg zwischen Bühl und Dußlingen markiert ein Schild die Grenze zwischen dem ehemaligen Oberamt Rottenburg und dem Oberamt Tübingen, zwischen ehemaligem Vorderösterreich und Altwürttemberg. Eine Kulturgrenze, auch heute noch.

15.08.2017

Von Martin Zimmermann

Und hier im Rammert scheiden sich die Geister. Bild: Zimmermann

Und hier im Rammert scheiden sich die Geister. Bild: Zimmermann

Eine Grenze zwischen katholischer und akademischer Kultur, zwischen traditioneller Fasnet und Fronleichnamsprozessionen auf der einen Seite und Stocherkahnrennen und „Mohrenkopf“-Diskussion auf der anderen Seite. Bei Wahlen eine Grenze zwischen schwarzen und grünen Hochburgen.

Schweizer Journalisten benutzen den Begriff „Röstigraben“, um bei Volksabstimmungen den Unterschied im Abstimmungsverhalten zwischen den liberalen französischsprachigen Romands und den Deutschschweizern zu beschreiben. So wurde etwa 2010 die „Ausschaffungsinitiative“, wonach kriminelle Ausländer abgeschoben werden sollen, in der Romandie anders als in der Deutschschweiz mehrheitlich abgelehnt.

Der Begriff „Röstigraben“ ist übrigens irreführend,weil die Romands „pomme de terres fricasées“ ebenso lange kennen, wie die Deutschschweizer und sich mittlerweile auch dort die kürzere schweizerdeutsche Bezeichnung eingebürgert hat. Die Sprachgrenze in der Schweiz folgt dem Lauf der Sarine (deutsch Saane), sie hat sich aber im Laufe der Zeit verschoben. Das an der Sprachgrenze gelegen Freiburg/Fribourg war bei seiner Gründung durch die Zähringer im Mittelalter deutschsprachig, heute aber spricht die Bevölkerung durch Zuzug aus dem ländlichen Hinterland zu zwei Dritteln französisch.

Ähnlich verhält es sich bei unserer Kulturgrenze, die sich ebenfalls verschoben hat, mit dem mehrheitlich katholischen Bühl, das historisch zum Oberamt Rottenburg gehörte, aber in Tübingen eingemeindet wurde. Noch immer hat Bühl eine Rottenburger Telefonvorwahl und eine traditionelle Fasnet. Zwischen Kiebingen und Bühl verläuft übrigens auch eine schwäbische Dialektgrenze zwischen „I be gestern ge Schtuagert gwä“ und „I be gestern ge Schtuagert gsei“. Bleibt die Frage, wie wir unsere Kulturgrenze denn nun nennen wollen? Weihwasseräquator, Fasnetsgraben, Ahlandlinie oder gar Gogengrenze?