Tübingen
Weihnachtsspendenaktion: Mit Bildern in den Dialog
Bei Tima haben Kolleginnen der Mathilde-Weber-Schule eine Fortbildung gemacht. Dabei ging es darum, wie man mit Schülern mit einer Essstörung besser ins Gespräch kommt.
Kürzlich schulten die beiden Pädagoginnen der Mathilde-Weber-Schule wie sie mit Schülern mit Essstörungen umgehen sollen. Um mit den Jugendlichen besser ins Gespräch zu kommen hatte Regine Kottmann eine Idee: Eine mobile Ausstellung mit lebensgroßen Fotoaufstellern.
Die Fotografin Rebecca Sampson porträtiert in ihrer Ausstellung „Aussehnsucht“ Menschen, die unter einer Essstörung leiden oder diese überwunden haben. Bereits 2012 hatte der Verein Tima (Tübinger Initiative für Mädchenarbeit) Sampson und ihre Ausstellung in das Rathaus ein. Sie erlebten reges Interesse und Gesprächsbedarf bei den teilnehmenden Schulklassen. So entstand die Idee, die Bilder einzusetzen, um Jugendliche vor Essstörungen zu schützen.
Kottmann und Vest wählten zehn Bilder, ließen sie auf Aufsteller drucken und kreierten ihr Material, mit dem sie pädagogisch arbeiten wollten. So entstand die Ausstellung „Ein Koffer voller Sehnsucht“. Auch wenn man dünne Körper sieht, sei das kein Problem, denn „sie sind nicht als erstrebenswert inszeniert“, klärt Vest auf.
Einsamkeit, aber auch Hoffnung
Die Teilnehmerinnen der Fortbildung werden in den kommenden Wochen die Ausstellung an die Mathilde-Weber-Schule holen und mit ihren Schülern besprechen. So sollen die Jugendlichen ermutigt werden, sich früh Hilfe zu holen. Mit ernsten Mienen scharen sich die Frauen um die Bilder, gebannt von ihrer Intensität. Sie sprechen nur zurückhaltend miteinander, erkennen in den Bildern Einsamkeit, Traurigkeit und manchmal auch Hoffnung. Lehrerin Sibylle Bizer glaubt, dass sich die Jugendlichen schon in den Bildern wieder finden können. Aber: „Das Schwierige ist, dass man das Gefühl, das man hat, nicht fassen kann. Die Bilder können ein Einstieg sein, sich damit auseinanderzusetzen“, sagt Lehrerin Sibylle Bizer. Die Ausstellung „Ein Koffer voller Sehnsucht“ kann von Schulen regional und überregional geliehen werden. Ein Vorteil der Schulausstellungen ist, dass sie dort alle mitbekommen. Auch Jungen und die Lehrer. Denn Essstörungen betrifft nicht nur Mädchen.Zehn Prozent der Fälle, die Kottmann berät, sind Jungen. Dass außer einem Kollegen der Tima Jugendarbeit nur Frauen gekommen sind, bedauert Kottmann. Schließlich sollten auch Väter, Freunde und Jungs wissen, wie man ein betroffenes Mädchen oder einen Jungen mit Essstörung unterstützen kann.
Kinder und Jugendliche seien in den letzten Jahren immer unzufriedener mit dem eigenen Körper. Der Wert, der dem Aussehen beigemessen wird, steigt.
Druck durch soziale Medien
Eine Ursache dafür sind die bearbeiteten Körperbilder in den sozialen Medien, unter anderem Instagram. Welchen Druck die soziale Plattform kreieren könne, müssten Eltern und Lehrer zunächst selbst verstehen. Dafür empfiehlt Kottmann ihnen nicht nur einen eigenen Instagramaccount sondern auch, dass sie sich mal mit Fitnessinfluencern auseinandersetzen.Die Pandemie verschärfe die Lage: Vereinstrainings fallen aus, einige Jugendliche trainieren mit Youtubern als Ersatz und würden noch mehr unrealistische Vorbilder sehen. „In mehreren Klassen gibt es Schülerinnen und Schüler mit Essstörungen“, berichtet Anna Göhring. Kottmann erläutert, dass die Fallzahlen steigen. „Wir hatten in den letzten Jahren um die 110 Fälle , 2021 waren es 172.“
Die Weihnachtsspendenaktion