Kommentar zur Flüchtlings- und Mediendebatte

Weder vertuschen noch Vorurteile schüren

Aus einem unterschwellig geäußerten Verdacht wird immer häufiger und offener ein massiver Vorwurf, der sich seit der widerlichen Gewalt gegen Frauen in Köln nochmals verstärkt hat: Medien würden die Wahrheit über Straftaten von Flüchtlingen und Migranten unterdrücken.

16.01.2016

Von Gernot Stegert

Das Misstrauen sitzt tief. Auch das TAGBLATT erhält Zuschriften, mal sachlich, mal frei von allen abendländischen Umgangsformen. Einzelne kündigen sogar das Abonnement.

Einzuräumen ist: Über die Kölner Gewaltexzesse haben fast alle Medien zu spät berichtet. Das lag aber vor allem am Vertuschen durch die Polizei. Und ein Versäumnis ist kein vorsätzliches Verschweigen.

Verdacht erregt, wenn Medien die Herkunft von Straftätern nicht nennen. Gewiss, es gibt Zeitungen und Sender, die aus falsch verstandener politischer Korrektheit Informationen zurückhalten. Auf der anderen Seite ist gegen rechte Hetzer wie gegen ein Angstgefühl normaler Bürger festzuhalten: Die übergroße Mehrheit der Asylbewerber ist friedlich, wie Polizeistatistiken belegen.

Weder Leugnen unangenehmer Wahrheiten noch Panikmache helfen weiter. Das gilt auch für Journalisten. Ob wir die nationale oder ethnische Herkunft eines Täters angeben, hängt von vielem ab. Es gibt kein pauschales Immer oder Nie. Als erstes müssen die Fakten klar sein. Wir veröffentlichen keine Gerüchte, wie sie in sozialen Netzwerken grassieren. Das geht schon rechtlich nicht. So manche Behauptung hat sich als falsch erwiesen.

Uns leitet der Pressekodex, die ethische Selbstverpflichtung der Medien. Ziffer 12 lautet: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“ In der Regel sind die Medien blind – aber so wie Justitia. Meist spielt die Nationalität eines Täters genauso wenig eine Rolle wie seine Nasenlänge, Haut- oder Haarfarbe, höchstens bei Fahndungsaufrufen der Polizei kann sie wichtig sein.

Bedeutsam ist die Herkunft beim Silvester-Mob in Köln und anderen Großstädten, weil ein diskriminierendes Frauenbild in arabischen Kreisen leider besonders verbreitet ist. Erwähnenswert ist die Nationalität, wenn eine organisierte Bandenkriminalität (etwa rumänisch) hinter einer Tat steckt. Klaut ein Flüchtling wie irgendein anderer Dieb, dann hat sein Status keine Bedeutung. Tun dies viele immer wieder, dann ist die Herkunft sehr wohl ein Thema. Gibt es Schlägereien in einer Asylbewerberunterkunft, melden wir das, sofern die Polizei das mitteilt oder bestätigt. Noch viele Fälle wären zu nennen. Es muss im Einzelfall abgewogen werden, ob die Herkunft bedeutsam für die Straftat ist. Das ist immer eine Interpretation und damit bestreitbar. Mit Vertuschen oder Manipulieren hat das nichts zu tun.

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Erstellt:
16.01.2016, 18:45 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 13sec
zuletzt aktualisiert: 16.01.2016, 18:45 Uhr

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