Übers Schenken: Zu Weihnachten ein Ballerspiel?

Was schenkt man seinen Kindern? Das TAGBLATT sprach mit Familienberaterin Christine Utecht

Mit einem guten Buch und zwei Paar selbstgestrickten Socken geben sich viele Kinder heute nicht mehr zufrieden. An Heiligabend erwarten sie, dass Eltern und Großeltern ordentlich was springen lassen.

08.12.2017

Von Ulrich Janßen

Leuchtende Kinderaugen an Heiligabend: Wie viele Geschenke sind dafür nötig? Bild: ©candy1812/fotolia.com

Leuchtende Kinderaugen an Heiligabend: Wie viele Geschenke sind dafür nötig? Bild: ©candy1812 / fotolia.com

Doch tut es dem Kind wirklich gut, wenn es so reich beschenkt wird? Wir sprachen mit Christine Utecht, Leiterin des Jugend- und Familienberatungszentrums des Landkreises Tübingen, über verantwortungsbewusstes Schenken.

Frau Utecht, warum soll man eigentlich seinen Kindern oder Enkeln zu Weihnachten überhaupt etwas schenken?

Das Schenken gehört in Deutschland zur kulturellen Tradition. Wenn alle Kinder in der Klasse etwas zu Weihnachten bekommen, wäre es ein schwieriges Signal, den eigenen Kindern oder Enkeln nichts zu schenken.

Mit Geschenken will man oft ausdrücken, wie sehr man jemanden liebt. Gelingt das?

Nicht alle Kinder bekommen das ganze Jahr über viel emotionale Zuwendung. Wenn die Eltern sehr beschäftigt sind oder zerstritten, fehlt oft die Sensibilität für die Kinder. Da macht man nichts verkehrt, wenn man ihnen mal an einem Tag im Jahr ganz viel Wärme gibt. Wichtig ist aber vor allem, dass es an diesem Tag Rituale gibt, den Tannenbaum, die Kirche, das Warten, das Essen. Bräuche, die immer gleich sind. Das gibt den Kindern Halt und Sicherheit. Dazu gehören dann auch Geschenke als Zeichen der Liebe.

Und je mehr Geschenke es gibt, desto größer ist die Liebe?

Heute kommt es ja nicht selten vor, dass sich um ein Kind sechs Erwachsene herumgruppieren, Eltern und Großeltern, die alle dem Kind ihre Liebe zeigen wollen. Die heimliche Hoffnung ist, dass das Kind dann denkt, die Oma, die zur Mama gehört, hat mich ein kleines bisschen mehr lieb als die vom Papa. Das funktioniert natürlich nicht. Die Kinder spüren genau, dass da von ihnen ein schwieriges Urteil verlangt wird und werden quengelig. Liebe drückt sich nicht in der Größe des Geschenks aus.

Omas und Opas dürfen alles, heißt es immer.

Das stimmt nicht ganz. Wenn die Großeltern Süßigkeiten schenken, die es zuhause aus gutem Grund nicht gibt, sollten die Eltern gelassen damit umgehen. Etwas anderes ist es, wenn die Oma dem Enkelkind etwas schenkt, das Papa und Mama richtig ärgert. Dann freut sich zwar das Kind über das Geschenk, aber es gerät auch in einen Loyalitätskonflikt, weil es den Ärger der Eltern mitbekommt. Wenn es Konflikte zwischen Erwachsenen gibt, fühlen sich Kinder immer sehr unwohl. Und an Weihnachten sind solche Konflikte noch schwerer zu ertragen, weil es keine Schule gibt und alle die ganze Zeit zuhause sind. Es ist deshalb besser, wenn es bei den Geschenken Absprachen gibt. Weil die Eltern am nächsten dran sind an den Kindern, sollten sie das Schenken koordinieren.

Wie könnten solche Arrangements aussehen?

Ich finde es gut, wenn die Eltern ein Thema vorgeben, etwa einen Kaufmannsladen oder ein Lego-Motiv. Dann können alle etwas dazu schenken. Gut sind auch Zeit- und Zuwendungsgeschenke. Also etwa ein Spiel, das man gemeinsam spielen kann. Oder eine Reitstunde, ein Ausflug in den Kletterpark.

Nun gibt es auch Kinder, die auf Kaufmannsläden nicht mehr stehen und in der Lage sind, ihre Wünsche sehr laut und deutlich zu vermitteln.

Hier kommt es darauf an, das Autonomiebestreben der Kinder ernst zu nehmen. Kinder dürfen sich etwas wünschen, auch große und teure Dinge. Aber die Eltern müssen eine eigene Position dazu haben, eine Haltung, und bei allem Respekt für den Wunsch der Kinder auch klare Grenzen ziehen. Wenn es dann Ärger gibt, müssen sie das aushalten.

Das ist nicht leicht.

Viele Eltern hätten heute am liebsten, dass ihre Kindern ihnen sagen, es ist schon okay, dass ihr mir die Playstation nicht schenken wollt. Aber das passiert natürlich nicht. Kinder wollen immer ganz viel und Grenzen überschreiten. Aber sie wollen im Grunde auch, dass man sie freundlich darauf hinweist. Wenn die Eltern unsicher sind und die Kinder merken, dass sie die Mächtigen sind, fühlen sie sich unwohl.

Wie verteidigen Eltern ihre Macht an Heiligabend?

Da gibt es kein Patentrezept. Manchmal muss man verhandeln und Zugeständnisse machen. Aber sie sollten auch Grenzen ziehen und vor allem klar Position beziehen. Eltern sind Vorbild. Kinder orientieren sich ja nicht so sehr an klugen Erklärungen, sondern vor allem daran, was die Eltern vorleben. Wenn der Vater ein teures Handy hat, das er ständig benutzt, fällt es ihm schwerer, den Wunsch des Kindes nach dem neuesten iPhone abzulehnen.

Mit teuren Geschenken kann man ja auch prima angeben.

Das ist ein soziales Problem, das vor allem ärmere Familien trifft. Eltern mit weniger Geld wollen oft nicht, dass ihre Kinder in der Klasse zurückstehen und machen dann Geschenke, die sie sich eigentlich nicht leisten können. Früher wurde das nach meinem Eindruck von den reicheren Eltern mehr berücksichtigt, sie haben sich bei den Geschenken etwas zurückgehalten. Das soziale Bewusstsein hat leider nachgelassen.

Sollten Eltern politisch korrekt schenken? Ein gutes Buch und Holzspielzeug statt Playstation und Ballerspiel?

Sofern es bei diesen Geschenken nicht darum geht, dass sich die Eltern damit selbst idealisieren wollen, ist das für mich in Ordnung. Im Vordergrund sollte aber das Wohl der Kinder stehen. Das gilt auch für das Schenken von Ballerspielen oder dergleichen. Wobei es auch hier keinen generellen Mechanismus gibt – ein Kind, das solche Spiele spielt, kann später trotzdem sehr sozial sein.

Christine Utecht, 58, ist Sozialpädagogin und Familienberaterin. Bild: Janßen

Christine Utecht, 58, ist Sozialpädagogin und Familienberaterin. Bild: Janßen