Hirnforschung

Was ist der Reiz, der zur Belohnung führt?

Tübinger Wissenschaftler untersuchten, wie das Gehirn Informationen nach Bedeutung sortiert. Entscheidend sind offenbar Schwingungen in Hirnarealen.

14.08.2018

Von Ulrich Janßen

Wie trennt das Gehirn wichtige Reize von weniger wichtigen Reizen? Das ist eine spannende Frage. Schließlich sind viele Lebewesen (inklusive des Menschen) täglich Situationen ausgesetzt, in denen sie mit einer Vielzahl von Reizen konfrontiert werden. Trotzdem agieren sie in solchen Situationen zielgerichtet und sicher. Das Arbeitsgedächtnis ist offenbar in der Lage, relevante Informationen herauszufiltern und die übrigen, unwichtigen Reize nicht zu berücksichtigen.

Wie das funktionieren könnte, hat jetzt die Arbeitsgruppe des Tübinger Wissenschaftlers Prof. Andreas Nieder gemeinsam mit Kollegen aus München bei Versuchen mit Rhesusaffen erforscht. Nieders Mitarbeiter zeigten den Affen zunächst hintereinander zwei Tafeln, auf denen unterschiedliche Anzahlen von Punkten zu sehen waren: erst die relevante Anzahl, die es kurze Zeit später wiederzuentdecken galt; dann eine störende Anzahl, die die Tiere ignorieren sollten, was ihnen aber nicht immer gelang. Hinterher gab es dann bei einer Wiederentdeckung der relevanten Anzahl von Punkten eine Belohnung.

Schwingende Weitergabe

Über Messungen mit Elektroden fand Nieders Team heraus, dass Informationen über die verschiedenen Zahlen im Affengehirn auch über Schwingungen weitergegeben werden. Diese Schwingungen entstehen, wenn tausende Nervenzellen in einem Areal gleichzeitig funken. (Solche Schwingungen werden übrigens auch mit dem EEG gemessen.) Die Wissenschaftler entdeckten, dass die Nervenzellen in bestimmten Arealen, wenn sie Zahl-Signale weiterleiten mussten, in einem sehr niederfrequenten Bereich funkten, mit vier bis zehn Schwingungen pro Sekunde.

In dieser Frequenz wurden sowohl die wichtigen wie auch die störenden (also keine Belohnung versprechenden) Reize übermittelt. „Beide Informationen“, erläuterte Nieder, „sind im Arbeitsgedächtnis gespeichert.“ Der Störreiz allerdings wird leicht zeitversetzt übertragen und zwar immer dann, wenn die Amplitude der Schwingung des gesamten Areals auf dem Höhepunkt war. Der wichtige Reiz dagegen wurde auf dem Tiefpunkt der Schwingung übertragen.

Abgleich mit Langzeitgedächtnis

Nieder vermutet, dass das Gehirn dadurch in die Lage versetzt wird, die verschiedenen Reize (wichtige und störende) voneinander zu unterscheiden und einzuordnen, um dann per Abgleich mit dem Langzeitgedächtnis (in dem die Belohnung mit einer bestimmten Zahl verbunden ist) die entsprechende Aktion auszulösen.

Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Forschungen einmal dazu beitragen, Patienten mit Gedächtnisstörungen zu helfen.