Meterologie

Warum liegen Wetter-Apps daneben?

Fast jeder hat solch ein Programm auf seinem Smartphone, viele ärgern sich über falsche Prognosen. Welche Geschäfts- und Rechenmodelle dahinterstecken.

26.02.2021

Von CAROLINE STRANG

Das Gewitter überrascht einen völlig unvorbereitet? Kann passieren, trotz Wetter-App.  Foto: ©kotoffei/shutterstock.com

Das Gewitter überrascht einen völlig unvorbereitet? Kann passieren, trotz Wetter-App. Foto: ©kotoffei/shutterstock.com

Ulm. Draußen scheint die Sonne über der spätwinterlichen Landschaft, der Blick in die Wetter-App auf dem Smartphone zeigt aber dunkle Wolken und ein paar Regentropfen in der stündlichen Vorhersage. Irgendwas passt doch da nicht zusammen. Dass Wetter-Apps oft falsch liegen, sei aber nur eine subjektive Meinung, stellt ein Experte des Deutschen Wetterdienstes auf Anfrage schnell klar. Er kann sich auch vorstellen, wie der Eindruck entsteht. „Was sich der Nutzer natürlich merkt, sind die Fehlvorhersagen. Man hat etwas vor, schaut auf die Wetter-App, was da steht, trifft nicht ein, man ärgert sich und merkt sich das.“

Meteorologe Sven Plöger verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Prognosen für den aktuellen und den Folgetag meist sehr gut seien. Die Vorhersagen für die nächsten drei Tage seien noch solide, um einen Eindruck zu gewinnen. Spätestens ab Tag 7 würde er gar nicht mehr draufschauen. „In der Sahara mag das noch gehen, bei unserem wechselhaften Wetter funktioniert das nicht.“ Wichtig sei ein Radar. „Daran kann man gut erkennen, was sich in den nächsten Stunden tut.“

Es gibt sehr viele Wetter-Apps zur Auswahl. Zu den bekanntesten in Deutschland zählen „WarnWetter“ vom Deutschen Wetterdienst (DWD), „Wetter Online“, „wetter.de“, „wetter.com“ und „Weather pro“. Dahinter stehen unterschiedliche Geschäftsmodelle. Die kostenlosen Apps finanzieren sich über Reklame. So sagt eine Sprecherin von „wetter.com“: „Unser gesamtes Angebot, also App und Webseite, ist werbefinanziert.“ Allerdings gebe es auch eine werbefreie Version, die man für einen Preis zwischen 99 Cent und 4,99 Euro monats- oder jahrweise kaufen kann. Die App wurde laut Sprecherin bisher insgesamt mehr als 28 Millionen Mal heruntergeladen, 2020 haben pro Monat durchschnittlich rund 7 Millionen User die App genutzt.

„Wetter Online“ hatte nach eigenen Angaben 19 Millionen aktive Nutzende weltweit im Januar 2021. Das Geschäftsmodell enthält auch eine kostenlose Version für Apple- und Android-Geräte, die durch Werbung getragen wird. Die Pro-Version ohne Werbung ist für 0,99 Euro monatlich oder 6,99 Euro jährlich erhältlich.

Es gibt gute Gratis-Angebote

Die „WarnWetter“-App des DWD ging 2015 kostenfrei an den Start. Nun ist nur noch die reine Wetterwarnung kostenlos. Denn: Laut Urteil des Bundesgerichtshofes vom März 2020 darf der Deutsche Wetterdienst in der kostenfreien Version nur eingeschränkte Inhalte anbieten.

Gibt es eigentlich einen Qualitätsunterschied zwischen kostenlosen und kostenpflichtigen Apps? Theoretisch erst einmal nicht, sagt der DWD-Experte. Aber: Kostenpflichtige Apps könnten vielleicht mehr Daten anbieten. Auch Plöger sagt: „Es gibt natürlich gute kostenlose Wetterapps, aber – wie bei allen Dingen, die kostenlos zu bekommen sind – sind diese Produkte nicht immer zwingend die allerbeste Wahl“.

Grundsätzlich suggerierten die Apps durch die genauen Angaben, dass sie jederzeit für jeden beliebigen Ort auf der Welt eine zeit- und zielgenaue Information liefern können. „Wenn man aber weiß, wie Wettermodelle arbeiten, erkennt man sehr schnell, dass sie eigentlich nur recht grob vorhersagen können“, gibt der DWD-Experte zu bedenken. Rechenkapazitäten setzten hier einfach Grenzen. Die Großrechner müssten sonst noch viel größer sein oder die Rechendauer wäre so lange, dass niemanden mehr die Vorhersage etwas nützen würde.

Es gelte grundsätzlich: „In unserer Atmosphäre passieren chaotische Vorgänge und daher kann Wetter nicht zu 100 Prozent vorhergesagt werden.“ Eine große Orkanlage zum Beispiel sei schon Tage zuvor in den Wettermodellen erkennbar und sehr gut und zeitgenau ankündbar. „Gewitter hingegen sind oft nicht einmal eine halbe Stunde vorher vorhersagbar, da sie sehr schnell entstehen und genauso schnell wieder verschwinden.“

„Die Menschen haben keinen einordnenden Meteorologen neben sich, wenn sie die App benutzen“, sagt Sven Plöger. Die App lese eigentlich nur Wettermodelle auf Gitterpunkten aus. Die Regionalisierung sei nicht trivial. „Einfach nur auf die Symbole zu schauen, geht an der atmosphärischen Kompliziertheit vorbei.“ Die Prozentangaben für die Niederschlagswahrscheinlichkeit hält er für unsinnig. Denn: „Die sagen eigentlich nur aus, in wie viel Prozent der Fällen es in ähnlichen Wetterlagen in den vergangenen Jahren zu Niederschlag gekommen ist.“ Das wüssten die wenigsten Nutzer.

Doch wo kommen die Daten für die Wetter-Apps überhaupt her? Die Daten werden hauptsächlich von den nationalen Wetterdiensten – in Deutschland ist das der DWD – bereitgestellt. Er betreibt ein umfangreiches Messnetz, ein Wetterradarverbundsystem und entwickelt und rechnet ein eigenes Vorhersagemodell in seinem Rechenzentrum in Offenbach, erklärt der DWD-Fachmann. Mehrere größere Wetterdienste, teils auch private Anbieter, Organisationen und Behörden betreiben eigene Messnetze, entwickeln und nutzen eigene Wettervorhersagemodelle. Teilweise werden diese Daten verkauft, zum Teil kostenfrei abgegeben. Aus diesem Pool an Daten bedienen sich die Betreiber von Wetter-Apps.

Daraus werden dann Vorhersagen errechnet. Das ist sehr kompliziert. Der DWD-Vertreter versucht es ganz einfach zusammenzufassen: „Aus vielen Messdaten werden nach unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätzen verschiedene Wettermodelle über komplexe mathematische Formeln berechnet.“ Dafür benötige man extrem große Rechenzentren und Entwicklungsabteilungen. Da dies sehr kostenaufwendig sei, rechneten nur sehr große Wetterdienste eigene Modelle. „Da es nicht den einen perfekten Weg für eine Vorhersage gibt, hat jedes Modell seine Stärken und Schwächen.“

Trotz aller Schwächen der Mini-Programme ist sich Sven Plöger aber sicher: „Die Wetter-Apps werden immer besser.“ Im Idealfall seien sie eine gute Ergänzung zu dem, was er den Menschen am Ende der Nachrichten erkläre.

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Erstellt:
26.02.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 41sec
zuletzt aktualisiert: 26.02.2021, 06:00 Uhr

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