Der Zoff der Grünen
Kommentar von Claudia Kling zum Wirbel um Cem Özdemir
Warum die Grünen dem Erfolgsmodell Baden-Württemberg misstrauen – ein Kommentar
Berlin. Latzhosen, Strickzeug und Ökosandalen haben die Grünen schon vor Jahrzehnten abgelegt. Aber Erfolg und Ehrgeiz scheinen ihnen nach wie vor suspekt zu sein. Anders lässt sich ihre demonstrative Distanz zu Cem Özdemir nicht erklären, der dieser Koalition mit seiner Erfahrung, seinem Charisma und seiner Weltläufigkeit als Minister nur helfen kann.
Das Gerangel um die Personalie Özdemir hat überdeutlich belegt, dass sich die Grünen im Bund als Regierungspartei noch finden, das Oppositionsdenken noch ablegen müssen. Ihr Machtbewusstsein reicht zwar aus, um regieren zu wollen, aber mit dem zum Regieren notwendigen Pragmatismus wollen etliche Mitglieder nichts zu tun haben. Da brechen die Kämpfe zwischen Realos und Fundis auf, die fast schon befriedet schienen. Das zeigt sich auch im Umgang mit dem einzigen grünen Landeschef bundesweit, dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Je erfolgreicher er ist, desto mehr wirkt er in der Bundespartei wie ein Fremdkörper. Kretschmanns politischer Ziehsohn Özdemir ist vielen Grünen wohl ähnlich suspekt. Doch mit dieser Haltung schaden sie sich vor allem selbst.