Erziehung

Warum Smartwatches und Co nur vermeintliche Sicherheit bieten

Vertrauen ist gut, Kontrolle weniger: Auch wenn es entsprechende Angebote gibt, raten Experten davon ab, Kinder mit technischen Geräten auszuspionieren.

23.10.2021

Von Miri Watson

Den Schulweg ohne elterliche Überwachung zu bestreiten, lehrt Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.    Foto: Marijan Murat/dpa

Den Schulweg ohne elterliche Überwachung zu bestreiten, lehrt Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Foto: Marijan Murat/dpa

Mit den aktuellen technischen Möglichkeiten wäre es leicht, immer zu wissen, wo der eigene Nachwuchs ist und mit wem er sich trifft. Doch die elterliche Aufsichtspflicht darf nicht mit elterlicher Rundumüberwachung verwechselt werden – mahnt Joachim Türk, Bundesvorstand des Kinderschutzbundes. „Die Fähigkeiten der Kinder nehmen zu, und im selben Maß können und sollten Eltern ihre Aufsicht verringern“, betont der Kinderschutz-Experte.

Eine Studie des medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest aus dem Jahr 2020 ergab, dass 24 Prozent der 12- bis 19-Jährigen selbst ein Wearable besitzen, also ein am Körper getragenes technisches Gerät, wie etwa eine Smartwatch, mit dem sein Träger geortet und abgehört werden kann. Zumindest die Abhörfunktion ist in Deutschland nicht erlaubt. Carolin Bongartz, Sprecherin der Bundesnetzagentur: „Kinderuhren mit einer Abhörfunktion sind verbotene Sendeanlagen.“

Diese Smartwatches gelten als Spionagegeräte. Trotzdem gibt es noch immer Anbieter, die solche Uhren auf den deutschen Markt bringen. Die Bundesnetzagentur geht gegen sie vor. Genaue Zahlen, wie erfolgreich die Behörde dabei ist, gibt es aber nicht. Insgesamt hat die Agentur zwischen Januar und Juni dieses Jahres 2170 Online-Angebote für Spionagegeräte gelöscht – wie viele davon Smartwatches für Kinder waren, ist nicht klar. Partizia Barth, Sprecherin der Initiative „Schau hin“, die Eltern in Medienerziehung berät, geht davon aus, dass das Angebot illegaler Smartwatches auf dem Markt rückläufig ist: „Voice Monitoring-Funktionen sind nicht mehr so stark verbreitet und werden auch nicht mehr aktiv beworben. Umgekehrt ist es eher so, dass ‚datenschutzkonform’ für einige Modelle als Verkaufsargument angeführt wird.“

Auch genaue Zahlen darüber, wie viele Eltern ihre Kinder mittels technischer Gerätschaften ausspionieren, werden nicht erhoben. Bongartz sagt allerdings, dass die Bundesnetzagentur sowohl von Eltern selbst, als auch von Schulleiterinnen und Schulleitern auf fragwürdige Kinder-Uhren aufmerksam gemacht wird. „Eltern achten in den meisten Fällen darauf, dass die Smartwatch für ihr Kind nicht gegen das Gesetz verstößt“, sagt Bongartz.

Auch wenn nur das Abhören der eigenen Sprößlinge illegal ist – schädlich für die Eltern-Kind-Beziehung und die Entwicklung der Kinder sind auch andere Formen der Überwachung. Zum Beispiel eine Kontrolle mit Geräten, die Standortdaten übermitteln: „Wenn Eltern den Tracker in den Ranzen schmuggeln, werden sie ihr Kind bei Abweichungen zur Rede stellen und die Überwachung offenbaren müssen – welch ein Vertrauensbruch“, sagt Türk. Auch die vermeintlich einvernehmliche Nutzung solcher Geräte würde das nicht besser machen: „Was Kindern damit vermittelt wird ist Misstrauen und Zweifel an ihren Fähigkeiten. Das macht sie schwach und unsicher.“

Auch von der Initiative „Schau hin“ heißt es: „Im schlechtesten Fall kann das Vertrauen zwischen Eltern und Nachwuchs nachhaltig beeinträchtigt werden.“ Zudem warnt die Initiative vor Zugriffen durch Fremde: „Auch Hacker können je nach Modell teilweise sehr leicht auf die Standort- und Kontaktdaten der Smartwatch zugreifen und diese missbrauchen“. Türk vom Kinderschutzbund warnt noch aus anderen Gründen davor, blind der Technik zu vertrauen: „Was machen Eltern, wenn das Signal ausfällt – weil die Batterie leer ist, das Netz schwächelt oder das Kind die elektronische Fußfessel lahmgelegt hat?“

Sehr viel sicherer und nachhaltiger als die elektronische Überwachung ist es also, die eigenen Kinder zu ermutigen, sich selbst in der Welt zurechtzufinden und ihnen dabei zu vertrauen. Für Türk ist daher klar: „Die größte Sicherheit bietet das Vertrauen der Eltern.“

Nur begrenzt einsetzbar

Wer sich schon einmal gewünscht hat, seinen verloren gegangenen Geldbeutel wieder zu finden, in dem er einen Klingelton bei ihm auslösen kann, freut sich möglicherweise über kleine Bluetooth-Tracker wie Apples „AirTag“ oder den Marktführer „Tile Mate“. Diese können an wichtigen Dingen befestigt und dann via App jederzeit geortet werden.

Doch auch wenn es praktisch erscheint: Diese smarten Alltagshelfer eignen sich weder zur Überwachung von Kindern noch von Haustieren. Und zwar nicht nur aus ethischen, sondern auch aus technischen Gründen. Die Tracker sind auf verschiedene Weise gegen die Nutzung durch Stalker gesichert und funktionieren nur in einem begrenzten Radius. eb