Für den guten Zweck

Jakobsweg: Mössinger Tobias Weber pilgert mit dem Einrad-Rollstuhl

Der Mössinger Tobias Weber ist mit dem Rollstuhl auf dem Jakobsweg. Ob das noch wandern ist, ist dabei nicht die zentrale Frage.

12.06.2022

Von Ingemar Koerner

Auf dem Bild sind auf dem Jakobsweg unterwegs (von links): Florian Uhl, Albrecht Vaihinger, Tobias Weber, Sophia Geiger, Mirjam Jäckel. Das Gefährt ist eine Joulette. Bild: Christian Randazzo

Auf dem Bild sind auf dem Jakobsweg unterwegs (von links): Florian Uhl, Albrecht Vaihinger, Tobias Weber, Sophia Geiger, Mirjam Jäckel. Das Gefährt ist eine Joulette. Bild: Christian Randazzo

Es klingt absurd: Ein Mössinger pilgert die letzten 258 Kilometer des Jakobsweges in Spanien, um Spenden für Kinder in Indien zu sammeln. Doch es macht Sinn: Tobias Weber aus Mössingen wandert im Rollstuhl den bekannten Weg. Die Spenden sammelt er für Kinder mit Behinderungen im Himalaya. Er und sein Team wollen mit dieser Reise auf Barrieren aufmerksam machen.

Wandern. Kann man das in diesem Fall überhaupt sagen? Immerhin setzt Weber nicht einen Fuß vor den anderen. Er macht keine Schritte, das übernehmen seine Begleiter. Er selbst rollt. Doch wer jetzt denkt, dass Weber auf vier Rädern von hinten geschoben durch Spanien reist, irrt.

Sein Rollstuhl hat nur ein Rad und einen besonderen Namen: Joulette. Die Form der Joulette erinnert an eine Schubkarre. Hinten zwei lange Stangen zum Halten, davor Webers Sitzschale und unter ihm das Rad. Im Unterschied zur Schubkarre kommen vorne zusätzlich zwei Haltestangen hinzu. Über die größten Hürden der letzten Tage, sagt er von unterwegs: „Die weiten Strecken und die Hitze sind anstrengend.“

Zum Glück hat Weber Unterstützerinnen, die sich beim Ziehen, Schieben und Absichern aufteilen: Eine Person hält die Stangen vorne, eine Person hinten und je eine Person geht links und rechts an der Seite neben ihm. Falls es doch mal unwegsam wird und er kippen könnte, ist er in alle Richtungen geschützt.

So bewegen Weber insgesamt vier Reisende. Da sein Team aus acht Freundinnen besteht, können sie die Aufgaben gut durchrotieren. Denn es gibt noch viel mehr zu tun: beispielsweise einen Gepäckrollstuhl und einen Toilettenrollstuhl schieben und natürlich Essen und Trinken tragen. Außerdem dabei: Ein Filmteam, das aus drei Personen besteht und einiges an technischem Equipment mitschleppt.

Treffen mit dem brasilianischem Weltfußballer Ronaldo

Räder auf dem Jakobsweg sind eigentlich nichts Besonderes. Gestern hat die Gruppe den ehemaligen brasilianischen Weltfußballer Ronaldo getroffen. Schon jetzt ein Highlight für Fußballfan Weber. Ronaldo fährt den Weg mit dem Fahrrad. So, wie viele andere auch. Pilgern heißt nicht zwingend wandern.

Im VfB-Trikot den Berg hinauf: Tobias Weber ist in Begleitung unterwegs. Privatbild

Im VfB-Trikot den Berg hinauf: Tobias Weber ist in Begleitung unterwegs. Privatbild

Doch die Räder eines Rollstuhls sind hier selten. Und genau darauf will die Reisegruppe hinweisen: Welche Schwierigkeiten haben Menschen mit Behinderungen auch heute noch? Was können sie ohne Hilfe nicht schaffen? Worum es Weber und seinen Mitstreiterinnen vor allem geht: Solche Barrieren abbauen. Damit auch Menschen im Rollstuhl alles schaffen können, was sie wollen – bestenfalls alleine.

So kamen sie auch auf das Projekt in Indien, für das die Reisegruppe Spenden sammelt. Das Aash Child Development Center. Es organisiert medizinische und schulische Hilfe für Kinder mit Behinderung im Himalaya. Besonders dort, wo sonst kaum Hilfe ankommt, gehen die Angestellten des Centers hin.

Auch wenn die Barrierefreiheit im Himalaya vermutlich noch schlechter ist – selbst im hochentwickelten Deutschland sehen sich Rollstuhlfahrerinnen oft unerwarteten Problemen gegenüber: Sei es ein kaputter Aufzug am Bahnsteig oder die Arztpraxis im ersten Stock eines Altbaus, der gar keinen Aufzug hat.

Unzählige Hürden hatte Weber auf dem Pilgerweg erwartet, doch die ersten Tage kam es anders: „Für mich war es bisher sehr überraschend, wie gut das alles funktioniert mit dem Platz, den Toiletten und der Pflege in den Herbergen.“

Für Aufmerksamkeit, gegen Barrieren

Der Gruppe um Weber ist bisher eine Sache am wichtigsten: Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit für Menschen mit Behinderung und die Barrieren, die sie immer noch – im wahrsten Sinne des Wortes – behindern. Dafür haben sie sich diese komplizierte Reise vorgenommen. Und deswegen dokumentieren sie alles multimedial – mit dem Filmteam, auf Social Media und auf ihrer Webseite.

Dort kann man Einblicke bekommen, ob sich Webers Optimismus bestätigt. Mit Blick auf die nächsten Tage meint er: „Wir hoffen, dass wir es schaffen, aber es wird sicherlich noch schwierig werden.“ Eine Sache hat er jetzt schon geschafft: Auf dem Jakobsweg ist ihnen Aufmerksamkeit sicher.

Reiseinformationen

Die Strecke: 258 Kilometer, Zeitdauer: vom 3. bis 17. Juni, Route: Camino Francés

Wer selbst noch nicht gepilgert ist, hat schon vom Jakobsweg – oder „Camino“ – gehört. Spätestens seit dem Bestseller „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling, der erfolgreich verfilmt wurde.

Webseiten: rock-n-roll-camino.net, Instagram/Facebook: @roll_camino

Die Spendenmöglichkeit läuft über eine Registrierung auf der Webseite: rock-n-roll-camino.net/2022/04/15/downloads/

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Erstellt:
12.06.2022, 06:30 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 09sec
zuletzt aktualisiert: 12.06.2022, 06:30 Uhr

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